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Nachwuchsprobleme: Polizei rekrutiert auf X-Jam und fragwürdigen Medien

Die Polizei sucht händeringend nach neuen Rekruten.
Die Polizei sucht händeringend nach neuen Rekruten. ©APA/BARBARA GINDL
Alkohol, laute Musik und nicht ganz nüchterne Teenager - beste Voraussetzungen für das Innenministerium, zukünftige Polizeirekruten anzuwerben. Die Methoden lösen jedoch heftige Kritik aus.

Das Innenministerium will in den nächsten Jahren 4.100 neue Polizisten einstellen, um einerseits Pensionierungen zu kompensieren, andererseits um Beamte überhaupt neu aufzunehmen. Tirols Landespolizeidirektor Helmut Tomac räumte im APA-Gespräch ganz offen ein, dass die Suche nach potenziellen Polizisten “durchaus herausfordernd und schwieriger als in früheren Jahren” sei. Grund sei in erster Linie die hohe Zahl der Neuaufnahmen.

Nachwuchsprobleme in ganz Österreich

Aus anderen Bundesländern versichern die offiziellen Stellen, dass die Rekrutierung gut läuft. Doch unter der Hand schildern Beamte, dass es trotz etwas vereinfachter Aufnahmekriterien – so gelten sichtbare Tätowierungen nicht mehr von vornherein als Ausschlussgrund – sehr schwierig ist, ausreichend geeigneten Nachwuchs zu bekommen.

Um den zusätzlichen Bedarf angesichts dieser bereits hohen Zahlen zu decken, rühre man verstärkt die Werbetrommel für den Polizistenberuf, wie Tomac erläuterte: Im Print-Bereich, auf Social Media sowie auch auf Berufsmessen. Das Innenministerium denkt da offenbar weiter.

Recruiting auf der X-Jam in Kroatien

So waren Marakovits persönlich und die Leiterin der Pressestelle des Innenministeriums, Viktoria Preining, am vergangenen Wochenende mit einem dafür gebrandeten Recruiting-Audi und einem Werbezelt beim X-Jam auf der Halbinsel Lanterna in Kroatien. Dokumentiert wurde dies auf der Facebook-Seite des Innenministeriums. Zu sehen ist unter anderem ein junger Mann mit nacktem Oberkörper und einer Handpose, die man auch als den Wolfsgruß der türkisch-faschistischen Grauen Wölfe interpretieren könnte. Preining kommentierte die Aktion bei Porec mit einigen Hashtags auf ihrer Instagram-Präsenz: “#croatia #xjam #specialmission #lovemyjob #sundowner #soschön”, war da zu lesen.

Exakte Zielgruppe, keine Streuung

Marakovits erläuterte diese Initiativen der APA so: “Das X-Jam ist ein Teil des Rekrutierungsprogramms. Wir haben dort 100 Prozent Treffsicherheit – exakt die Zielgruppe und keine Streuung.” Dass dabei der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit und die Leiterin der Pressestelle persönlich anreisen, fand Marakovits nicht ungewöhnlich: “Wir sind da, weil wir ein Recruiting-Team sind. Ich verantworte das Projekt und muss evaluieren, was das bringt.” Anfang Juni war das Duo beim Erzberg-Rodeo in der Steiermark, ebenfalls mit dem Audi, und Marakovits baute wieder ein Zelt auf. Zu sehen war dies ebenfalls auf der Instagram-Präsenz von Preining mit Feierfotos und der Info über den Zeltaufbau.

Ähnlich argumentierte er die Anwesenheit beim Erzberg-Rodeo. Man habe dort einen guten Standplatz gehabt und “gutes Feedback von gestandenen Polizisten” bekommen. Am Wochenende 30. Juni/1. Juli sind Zelt und Auto mit Preining und Marakovits übrigens in Spielberg beim Formel-1-Rennen.

Kaum Rekrutierungen am Donauinselfest in Wien

Weit kritischer sehen Insider im Ministerium diese Reisen. Sie fragen zum Beispiel, warum am Wochenende des Donauinselfestes in Wien mit 2,4 Millionen Besuchern auf Steuergeld eine Recruiting-Reise nach Kroatien mit etwa 6.500 Teilnehmern gemacht wird und das entsprechende Werbe-Material in Wien nicht zur Verfügung stand. Die Wiener Polizei beschränkte sich auf das Verteilen von Infoblättern, hatte aber keinen eigenen Recruiting-Stand.

Parlamentarische Anfrage an Kickl

Die NEOS-Nationalratsabgeordnete Stephanie Krisper kündigte in Zusammenhang mit diesen Recruiting-Methoden eine parlamentarische Anfrage an Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) an. Sie will unter anderem wissen, welche Kosten die Reisen verursacht haben, und in Zusammenhang mit der Tour nach Kroatien, ob auch im Ausland nach Mitarbeitern gesucht werde. Weiters geht es um die Inserate in “rechten bzw. weltverschwörerischen Zeitungen”. Krisper fragt unter anderem, welche Strategien das Innenministerium verfolge, wenn es Werbeplattformen für die Personalwerbung aussuche.

Inserate in rechten Medien

Hintergrund für letztere Fragen ist vor wenigen Wochen aufgekommene Kritik an der Inseratplatzierung des Ressorts im Zusammenhang mit der Rekrutierung von Bewerbern für den Polizeiberuf: Im Mai wurde bekannt, dass das Innenministerium Anzeigen in der Zeitschrift “Alles Roger?” schaltete. SPÖ-Chef Christian Kern hatte die Regierung im Mai aufgefordert, finanzielle Zuwendungen an das Blatt einzustellen, werde dort doch “antisemitische Hetze” aus österreichischem Steuergeld betrieben. Auch Inserate im oberösterreichischen Online-Portal “Wochenblick” – mehrfach vom Presserat gerügt bzw. verurteilt – wurden kritisiert.

(APA/red)

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