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Nach Zolleinigung: Sorge vor US-Chlorhendl in der Schweiz

Die Angst vorm US-amerikanischen Chlorhuhn ist zurück in Europa: In der Schweiz ist die anfängliche Erleichterung über die Zolleinigung mit der US-Regierung von Donald Trump inzwischen neuer Sorge gewichen. Kritiker befürchten, dass Zugeständnisse der Schweizer Regierung unter anderem Lockerungen bei den Vorschriften für den Import von Lebensmitteln aus den USA nach sich ziehen könnten - darunter auch hormonbehandeltes Rindfleisch oder Chlorhendl.

Zwar sind viele Details der in der vergangenen Woche verkündeten Einigung, die eine Verringerung der US-Zölle auf Schweizer Produkte von 39 auf 15 Prozent vorsieht und deshalb bei Unternehmen in der exportorientierten Alpennation zunächst Erleichterung auslöste, noch nicht bekannt. Doch in die Debatte eingeschaltet hat sich nun auch die einflussreiche Schweizer Landwirtschaftslobby.

Die Bauernvereinigung Uniterre lehnt jegliche Einfuhr von chloriertem Hühnerfleisch ab - ebenso wie Zugeständnisse, die der stolzen Milch- und Molkereiindustrie des Landes schaden könnten. Die Schweizer Grünen warnen indes, in Zukunft drohten "massenhaft Billigimporte von US-Hormonfleisch und Chlorhühnern".

Entwurf sieht Zollfrei-Kontingente für umstrittene Produkte vor

Der Entwurf des Abkommens sieht zollfreie Kontingente unter anderem für Rindfleisch und Geflügel aus den USA vor. Wirtschaftsminister Guy Parmelin, der dreimal zu Verhandlungen über das Abkommen nach Washington gereist war, wies im Sender RTS allerdings darauf hin, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht darüber gesprochen worden sei, "wie diese Hühner produziert werden". Dies müsse noch diskutiert werden, ebenso wie andere Punkte auch.

Der Handelsriese Migros erklärte auf Anfrage, dass der Konzern nicht vorhabe, mit Chlor oder Chemikalien behandeltes Hühnerfleisch in die Regale zu nehmen, da dies nicht den Erwartungen der Verbraucher entspreche.

Politische Forderungen zu Offenlegung eidgenössischer Verpflichtungen

Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP) drängt die Regierung unterdessen dazu, vollständig offenzulegen, welche Verpflichtungen im Rahmen des Abkommens eingegangen wurden, und warnt vor einer Gefährdung bisheriger Standards. In einer am Montag gestarteten Petition wird dabei neben Chlorhühnern auch auf Teslas Cybertruck verwiesen. Laut Schweizer Medien wirft ein vom Weißen Haus veröffentlichtes Informationsblatt zum Zollabkommen die Frage auf, ob die bisher in der Schweiz nicht zugelassenen Fahrzeuge künftig auch über Alpenstraßen rollen könnten.

In dem Dokument erwähnt wird zudem, dass die Schweiz künftig Abstand "von schädlichen Steuern auf digitale Dienstleistungen" nehmen solle, ohne jedoch weitere Einzelheiten zu nennen. Das Wirtschaftsministerium in Bern bestätigte gegenüber AFP, dass beabsichtigt werde, eine geplante Steuer für US-Digitalkonzerne vorerst fallen zu lassen, während die Sicherheitsstandards von Autos noch Gegenstand bevorstehender Verhandlungen seien.

Wirtschaftsministerin Parmelin wies zudem auf andere Produkte hin, über die derzeit noch verhandelt werde, darunter neben Industriemaschinen, Stahl, Aluminium und Kaffee auch Uhren und Käse.

"Kein Abkommen ist jemals perfekt", gab Wirtschaftswissenschaftler Stéphane Garelli vom International Institute for Management Development (IMD) und der Universität Lausanne zu bedenken. Zugeständnisse seien jedoch nötig gewesen, "weil der Schaden für die Schweizer Industrie und Beschäftigung viel zu groß war". Im dritten Quartal litt die Schweizer Wirtschaft spürbar unter den hohen Einfuhrzöllen der USA und schrumpfte im Vergleich zum Vorquartal um 0,5 Prozent.

(APA/AFP)

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