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Mutter-Kind-Pass: Niedergelassene Ärzte stellen sich auf Ende ein

Raab: Leistungen bleiben kostenfrei
Raab: Leistungen bleiben kostenfrei ©APA
Die Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte in der Ärztekammer bereitet sich auf ein Ende des Mutter-Kind-Passes in seiner aktuellen Form vor.
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Seit Wochen laufen die Verhandlungen zwischen den Ärztekammern und dem Gesundheitsministerium. Sollte es keine Einigung geben, werde mit Ende des Jahres die Kündigung des Mutter-Kind-Passes als Kassenleistung ausgesprochen werden. Ein entsprechender Beschluss ist heute im Rahmen der Sitzung der Bundeskurie gefasst worden.

Die Standesvertretung begründet dies damit, dass die Honorare für die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen trotz eines gestiegenen Volumens an Leistungen seit 28 Jahren nicht valorisiert worden seien.

"Auf diesen höchst bedauernswerten Ausgang müssen wir uns vorbereiten, weil wir bislang von der Politik nur Lippenbekenntnisse bekommen haben", wird Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte Edgar Wutscher in einer Aussendung am Mittwoch zitiert.

Vertragsloser Zustand droht

Im Gesundheitsministerium wurde zuletzt mehrfach betont, dass eine Einigung bevorstehe. Am Donnerstag reagierte Gesundheitsminister Johannes Rauch auf Twitter: "Den Mutter-Kind-Pass in Österreich wird es auch in Zukunft geben, und auch die Untersuchungen werden weiterhin öffentlich finanziert". Man werde "schon bald ein fertiges Paket präsentieren", kündigte Rauch an.

Aus Sicht der Ständevertretung gebe es nach wie vor keine wesentlichen Fortschritte bei der Absicherung und Weiterentwicklung des Mutter-Kind-Passes. Erreicht man keine Einigung, tritt ab kommendem Jahr der vertragslose Zustand ein.

Sollte es tatsächlich zu keiner Einigung kommen, würden die Mediziner die im Pass angeführten Untersuchungen dann nicht mehr als Kassenleistung anbieten. "Wir werden uns auch weiterhin um die werdenden Mütter und ihre Kinder kümmern, damit diese nicht unverschuldet ohne Versorgungsplan dastehen", sagt Bundes-Fachgruppenobmann Thomas Fiedler. Derzeit erarbeite man eine private Abrechnungsmöglichkeit, damit die Untersuchungen im Rahmen des Mutter-Kind-Passes weiter absolviert werden können.

Thema lässt Wogen hochgehen

SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher zeigte sich am Donnerstag über diese Entwicklung fassungslos. "Der Mutter-Kind-Pass hat die Kinder- und Müttersterblichkeit massiv verringert. Anstatt die versprochene Weiterentwicklung des Mutter-Kind-Passes endlich umzusetzen, steht nun sogar die kostenlose Gesundheitsversorgung von Müttern und Kindern am Spiel. Das ist das traurige Ergebnis des Stillstands in der türkis-grünen Gesundheitspolitik", kritisierte Kucher in einer Aussendung. Der SPÖ-Abgeordnete forderte alle Beteiligten auf, sofort an den Verhandlungstisch zu kommen und eine Lösung zu finden.

In die gleiche Kerbe schlugen auch die NEOS. Gesundheitssprecherin Fiona Fiedler forderte ebenfalls alle Beteiligten auf, rasche Lösungen zu finden. "Ein Ende des Mutter-Kind-Passes ist keine Option. Die ärztliche Versorgung muss auch weiterhin sichergestellt sein", betonte Fiedler, die auch eine Weiterentwicklung des Mutter-Kind-Passes forderte. Sie zeigte zwar "vollstes Verständnis", dass die Ärztekammer eine Erhöhung der seit 1994 nicht mehr angehobenen Honorare fordere. Dennoch dürfe die Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung "nicht an Kompromissunfähigkeit und Blockadehaltungen einzelner scheitern", betonte Fiedler. "Plötzlich eine Erhöhung um 170 Prozent zu fordern, ist doch einigermaßen realitätsfremd. Beide Seiten, Kammer wie Gesundheitsministerium, müssen sich mit Forderungen einander annähern, die auch umsetzbar sind. Drohgebärden helfen niemandem weiter", so die NEOS-Abgeordnete.

Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger warnte, dass eine Ende des Mutter-Kind-Passes vor allem für Armutsbetroffene ein erhöhtes Gesundheitsrisiko bedeuten würde. Für viele wären diese Untersuchungen privat nicht leistbar. Fenninger forderte stattdessen eine Ausweitung der Leistungen. Es brauche eine Ausweitung des Mutter-Kind-Passes bis zum 18. Lebensjahr und die Aufnahme von Mund-/Zahngesundheit in den Mutter-Kind-Pass.

ÖVP und Grüne beruhigen

Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) versuchte hingegen zu beruhigen. Die Untersuchungen des Mutter-Kind-Passes bleiben weiterhin kostenfrei, versicherte sie am Mittwochabend bei den Beratungen zum Familienbudget im Budgetausschuss des Parlaments. Die Verhandlungen befänden sich in der finalen Phase, bekräftigte Raab frühere Angaben des Gesundheitsministeriums.

Auch die Familien- und Gesundheitssprecher der Grünen, Barbara Neßler und Ralph Schallmeiner, versicherten in einer Aussendung, dass der Mutter-Kind-Pass keineswegs vor dem Aus stehe. Ganz im Gegenteil - man befinde sich in intensiven Gespräche, an deren Ende Verbesserungen der Leistungen stehen sollen, betonten die beiden Grün-Politiker, die sich gegen derartige Spekulationen wandten, die nur zu unnötiger Verunsicherung führen würden.

1974 eingeführt

Der Mutter-Kind-Pass wurde bereits 1974 eingeführt. Das Programm wird seither kontinuierlich weiterentwickelt. Bei der Einführung vor 48 Jahren war das Hauptziel, die Säuglings- und Müttersterblichkeit zu senken - was auch erfolgreich gelang. Heute steht die Früherkennung von Gesundheitsrisiken, Erkrankungen und Entwicklungsstörungen im Vordergrund. Durch das frühzeitige Entdecken kindlicher Defizite können rechtzeitig Förderungsmaßnahmen ergriffen werden.

(APA)

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