Musikschulen Vorarlbergs setzen klare Zeichen für den Kinderschutz

Musikunterricht ist oft ein Raum der Intimität – im besten Sinne. Einzelstunden, geschlossene Türen, langjährige Bindungen zwischen Lehrpersonen und Kindern.
Wenn Nähe zum Risiko wird
Was Vertrauen schafft, kann im ungünstigsten Fall auch zur Grauzone werden. Das wissen auch die Musikschulen Vorarlbergs. Zum Schulstart setzen sie deshalb ein deutliches Zeichen: Ein neues Kinderschutzkonzept soll für mehr Sicherheit, Bewusstsein und Klarheit sorgen.
„Im Musikunterricht sind Nähe und Berührungen manchmal unvermeidbar“, sagt Christian Netzer, Kinder- und Jugendanwalt des Landes. Gerade deshalb sei es wichtig, systematisch vorzugehen: mit Risikoanalysen, klaren Verhaltensleitlinien, Fortbildungen und Meldestellen. „Wenn alle Musikschulen an einem Strang ziehen, ist dem Kinderschutz wirklich gedient“, so Netzer.
Berührung oder Grenzüberschreitung?
Gitarrenlehrer Markus Vallazza von der Musikschule Hofsteig kennt die Gratwanderung aus dem Alltag: „Es ist nicht leicht. Manches lässt sich schneller erklären, wenn man einem Kind die Haltung zeigt – auch mit der Hand. Aber natürlich habe ich auch ein bisschen Angst, dass jemand aufsteht und sagt: Der hat mich blöd berührt.“
Für ihn wie viele andere Lehrpersonen ist der Unterricht oft nonverbal geprägt. „Grenzen sind individuell“, ergänzt Maria Badias, Klavierpädagogin an der Musikschule Bregenz. „Wir versuchen, jedes Kind anders wahrzunehmen und fragen uns: Wie nah dürfen wir sein?“ Über Jahre entstehe mit manchen Kindern eine Bindung, die fast familiär wirke. Auch das könne zu Missverständnissen führen – oder, im schlimmsten Fall, zu Ausnutzung.
Ein Raum der Sensibilisierung
Gerade weil so viel Vertrauen im Spiel ist, wollen die Musikschulen nun präventiv handeln. Das neue Projekt setzt auf mehrere Ebenen:
Schutzmaßnahmen in Schulen
Präventive Maßnahmen für ein sicheres Lernumfeld
Sensibilisierung von Kindern, Eltern und Pädagogen für Nähe und Distanz
Aufklärung und Schulungen zu angemessenen Grenzen im schulischen Umfeld
Bauliche Maßnahmen wie Sichtfenster oder offene Räume
Transparente Raumgestaltung zur Erhöhung der Sicherheit und Sichtbarkeit
Meldestellen in jeder Schule
Zentrale Anlaufstellen für Beschwerden und Meldungen von Vorfällen
Klare Leitlinien im Umgang mit Körperkontakt
Eindeutige Regeln und Richtlinien für angemessenen physischen Kontakt
Strafregisterprüfungen bei der Personalauswahl
Sorgfältige Überprüfung aller Mitarbeiter vor der Einstellung
Interventionspläne für den Ernstfall
Vorbereitung und klare Handlungsanweisungen für Krisensituationen
„Wichtig ist, dass Kinder wissen, wo sie sich hinwenden können, wenn etwas passiert – oder wenn sich etwas nicht gut anfühlt“, erklärt Musikschuldirektor Anton Meusburger aus dem Bregenzerwald.
Ein Kulturwandel in der Pädagogik
Bisher sei man von Zwischenfällen verschont geblieben, betonen viele der Verantwortlichen. Doch allein das Vertrauen auf die Vergangenheit reiche nicht aus, sagt Nikolaus Netzer, Leiter der Musikschule Feldkirch. „Es geht nicht darum, Lehrpersonen zu misstrauen. Es geht darum, Bewusstsein zu schaffen – damit Grenzverletzungen gar nicht erst entstehen.“
Christian Netzer sieht das ähnlich. Gute Konzepte gebe es bereits im Kindergarten- und Sportbereich, nun ziehe auch der Kulturbereich nach. „Ich glaube, dass da noch viel mehr kommen wird. Hoffen wir zumindest“, sagt er.
Faktenblock: Kinderschutz an Vorarlbergs Musikschulen
Kinderschutzprojekt Musikschulen
Präventive Maßnahmen für ein sicheres Lernumfeld
Projektstart: Schuljahr 2025/26
Beginn der Umsetzung aller Schutzmaßnahmen ab dem kommenden Schuljahr
Zielgruppen: Kinder, Eltern, Lehrpersonen
Umfassende Einbindung aller Beteiligten im Musikschulumfeld
Maßnahmen: Meldestellen, Risikoanalysen, Leitlinien, Fortbildungen
Vier zentrale Säulen für einen wirksamen Kinderschutz
Externe Partner: Polizei, ifs-Kinderschutz, Kinder- und Jugendhilfe
Professionelle Unterstützung durch erfahrene Fachstellen
Leitung: Landesverband der Vorarlberger Musikschulen
In Kooperation mit der Kinder- und Jugendanwaltschaft
Mit diesem Schritt zeigen die Vorarlberger Musikschulen: Vertrauen ist gut – aber struktureller Schutz ist besser. Es ist ein Kulturwandel im Klassenzimmer, der nicht aus Misstrauen geboren wurde, sondern aus Verantwortung.
(VOL.AT)
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