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Musikevent einsamer Größe

Feldkirch - Auf solchem Niveau hat man das Symphonieorchester Vorarlberg noch nie gehört. Dagegen verblasst alles Frühere. Das neunteilige Mahler-Projekt unter dem jungen charismatischen Dirigenten Kirill Petrenko ist schon zum Auftakt am Wochenende ein Meilenstein in der Geschichte des SOV.

Der mit Vorarlberg so sehr verbundene heutige Weltklasse-Dirigent bescherte dem Land damit einen Musikevent von einsamer Größe, der das in die Jahre gekommene Montforthaus von den Ovationen der Zuhörer erzittern ließ. Auch von der Wucht und Dramatik freilich, mit der Petrenko Gustav Mahlers 1. Symphonie exekutiert, viele ungehörte Details dieses fast einstündigen, naturhaften Werkes penibel hinterfragt und damit unglaubliche Wirkungen erzielt. Im Bemühen um größtmögliche Authentizität nimmt er Mahler radikal beim Wort. Er übertreibt die grellen Klangeffekte der Holzbläser, die ironische Schärfe des „Bruder-Jakob“-Themas im 3. Satz bewusst bis an den Rand der Parodie, leuchtet mit seinem ausgeprägten Klang­sinn auch Mahlers „Emanzipation der Klangfarben“ aus.

Glühende Leidenschaft

Dafür entstehen die Naturstimmungen des 1. Satzes transzendent wie aus einem Morgennebel, bringt das Scherzo bäuerisch-brucknersche Derbheit ins Spiel. Petrenko agiert mit glühender Leidenschaft, ein elektrisierendes Energiebündel, der das Letzte von den Musikern fordert. Den Einsatz aber auch so genau disponiert, dass am Schluss noch genug Kraft für ein umwerfend tempogeladenes Finale bleibt, mit einer zur Sternstunde auflaufenden Hörnergruppe oder mehrstimmigen Passagen der ersten Geigen in einer Schönheit, die nicht von dieser Welt ist.

Kleine Unebenheiten

Das Orchester, mit dem der Dirigent durch Seilschaften aus seiner Studienzeit am Konservatorium auch persönlich sehr verbunden ist, dankt ihm zum Einstand mit größtmöglichem Einsatz und enormer Konzentration. Doch fordert solche Höchstleistung auch ihren Tribut. Die nervliche Anspannung im Orchester ist vor allem am Beginn geradezu körperlich spürbar, kleine Unebenheiten zeigen nur, dass hier in entscheidenden Momenten noch nicht die Kaltblütigkeit eines abgebrühten Profiorchesters vorherrscht, tun aber dem Gesamteindruck keinerlei Abbruch. Eine ideale thematische Einstimmung auf dieses Werk bringen im ersten Teil sechs Mahler-Lieder aus „Des Knaben Wunderhorn“, denen der namhafte deutsche Bariton Jochen Schmeckenbecher mit dem nötigen Unernst und Sarkasmus begegnet und sie mit seiner operngestählten Stimme sehr klug und wortdeutlich mitlebt und -leidet.

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