"Musik ist Frieden": Giora Feidman und Majid Montazer

"Wir haben uns vor 20 Jahren kennengelernt. Aus Bekanntschaft ist Freundschaft geworden. Wir verbringen sehr viel Zeit privat zusammen und sind eine Familie geworden. Für meine Kinder ist der Maestro wie ein Großvater. Wir finden beide, dass wir eine Aufgabe haben: die Menschen zu sensibilisieren und die Welt ein wenig besser zu machen. Es fühlt sich an, als wären wir eine Seele in zwei Körpern", sagt Montazer im gemeinsamen Gespräch mit der APA. Die Seele ist ihnen beiden wichtig: "Seine Musik ist nicht nur schön, sie ist mehr als das, sie ist eine spirituelle Nahrung für die Seele", schwärmt Feidman von seinem Partner, der an seiner Seite wie sein Sohn wirkt.
Eine Begegnung als Gottesgeschenk
Feidman ist ein Weltstar. Mit 18 wurde er Klarinettist am Teatro Colón in Buenos Aires, ging bald darauf nach Israel, wo er lange im Israel Philharmonic Orchestra spielte, ehe er in New York eine Solokarriere als Klezmer-Musiker startete. Seit er 1984 in Peter Zadeks Inszenierung von Joshua Sobols "Ghetto" spielte, ist er Deutschland besonders verbunden, gibt dort die meisten Konzerte und besitzt auch die deutsche Staatsangehörigkeit - ein Umstand, auf den hinzuweisen er bei keinem Interview und kaum einem Auftritt vergisst: "Ich bin ein Jude mit deutschem Pass - ist das nicht wundervoll? Das ist doch Frieden! Ich zeige ihn auf der ganzen Welt herum!"
Er sei glücklich, dass er sich nach Jahrzehnten, in denen er sich den unterschiedlichsten musikalischen Strömungen gewidmet habe, seit seiner Begegnung mit Majid Montazer als Friedensbotschafter verstehe, versichert Feidman, dem der Beiname "King of Klezmer" gegeben wurde und der die Filmmusik zu Steven Spielbergs "Schindlers Liste" einspielte: "Für mich ist unsere Begegnung ein Wunder, ein Gottesgeschenk. Musik ist Frieden. Aber um Frieden zu bringen, müssen Sie auch als Person den Frieden in sich fühlen."
Erfolgreiche "Friendship"
Giora Feidman hat seinen Frieden mit der Welt gemacht - und mit dem iranischen Komponisten einen Kompagnon gefunden, mit dem sich sein Anliegen auf den ersten Blick vermittelt. "2019 saß ich mit ihm nach einem Konzert im Auto und wir sprachen über Gott und die Welt. Als im Kassettenrekorder ein Song von mir zu hören war, horchte er sofort auf und fragte mich, ob ich ein Stück für ihn schreiben würde - was ich als große Ehre und Herausforderung empfand", erzählt Montazer.
"Aus diesem Song ist dann mehr geworden. Irgendwann fragte er mich, ob ich für sein 75-jähriges Bühnenjubiläum ein ganzes Album schreiben könne. Diese Produktion haben wir 'Friendship' genannt, und sie hat europaweit große Erfolge gefeiert. Als immer klarer wurde, dass unsere Botschaft viele Menschen tief im Herzen trifft, haben wir 'Revolution of Love' gemacht, das ab Oktober auch in Österreich auf Tour geht. Mittlerweile haben wir über 200.000 Leute erreicht. 'Revolution of Love' ist eine friedliche Protestaktion - für eine bessere Welt. Und so heißt auch unser nächstes Album, das wir im Jänner herausbringen, erstmals begleitet von einem Buch, in dem wir den Hintergrund der Songs und unsere Erlebnisse der letzten Jahre erzählen."
"We will arrive. I have Geduld."
Die gemeinsame Musik verbindet Klassik und Klezmer mit persischen Klangfarben. "Seine Klarinette ist auch eine spirituelle Quelle für mich", sagt Montazer, der in Hamburg über "Die Musikkultur im Iran seit der islamischen Revolution" promoviert hat. "Wenn ich Musik schreibe, denke ich: Wie würde Giora Feidman diese Passage spielen?"
Musik bringt den Frieden? Ist das nicht eine sehr simple Botschaft - widerlegt durch das klingende Spiel, mit dem Soldaten früher in den Krieg zogen, und ganz einfach durch den verheerenden Zustand dieser Welt? Bedeutet das nicht, dass die Menschen diese Botschaft nicht hören wollen? Oder sind die alle unmusikalisch? Feidman runzelt die Stirn über solche Einwände. "Nein, so ist das nicht! Stellen Sie sich eine Welt ohne Musik vor! Die Seele zieht nicht in den Krieg. Die Seele ist wichtiger als der Körper, und sie braucht auch Nahrung. Die kommt von der Musik", sagt er und ist sich sicher: "We will arrive. I have Geduld."
Zu seinem 90er würde Feidman gerne in Israel auftreten - mit einer Friedensbotschaft, die dort speziell von den regierenden Politikern nicht geteilt wird, und einem Partner, dessen Heimatland von Israel kürzlich bombardiert wurde. Ob dieser Geburtstagswunsch in Erfüllung gehen kann, ist noch völlig offen. Sicher sei jedoch, versichert Giora Feidman: "Die Palästinenser wollen diesen Krieg nicht, und die Israelis wollen ihn auch nicht. Aber für viele ist er ein gutes Business."
(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)
(S E R V I C E - "Revolution of love", Konzert-Termine in Österreich: 29.10.: Villach Congress Center, 30.10.: Steyr, Stadttheater, 1.11.: Wien, Musikverein, 15.11.: Kitzbühel, Kulturhaus Reith)
(APA)
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