Musical "Come from away" begeisterte in Linz
Schauplatz ist ein riesiger Flughafen im Nirgendwo, genauer gesagt in Gander auf Neufundland. Ehemals wichtiger Zwischenlandeplatz bei Transatlantikflügen, verlor er mit dem Einsatz moderner Langstreckenmaschinen an Bedeutung. Am 11.9.2001 jedoch, als die USA ihren Luftraum sperrten, wurden 38 Maschinen mit mehr als 6.000 Passagieren und fast 500 Besatzungsmitgliedern hierhin umgeleitet und die damals weniger als 10.000 Einwohner kümmerten sich um die Gestrandeten - und Tierschützerin Bonnie (Lynsey Thurgar) gegen alle Widerstände um die mitreisenden Tiere - Katzen, Hunde und ein seltenes Bonobo-Schimpansen-Pärchen.
Aufeinandertreffen von Religionen und Ländern
Jeder weiß noch, wo er war, als die zwei Flugzeuge ins World Trade Center krachten, so auch die Einwohner von Gander, wie sie in der Eingangsszene nach dem mitreißenden "Welcome to the rock" erzählen. Und dann landen die 38 Flugzeuge - "Heilige Scheiße" sagte Polizist Oz - mit Passagieren aus aller Welt. Muslime, Christen, Juden, Amerikaner, Afrikaner, Europäer treffen aufeinander und auf die Einheimischen. In einer Situation, in der viele misstrauisch sind und anfangs keiner einen Überblick hat, helfen die Neufundländer einfach mit allem, was sie haben. Die Lehrerinnen Beulah (Sarah Schütz) und Annette (Sanne Mieloo) machen ihre Schule zum Notquartier, Bürgermeister Claude (Karsten Kenzel) organisiert Schlafplätze, Polizist Oz (David Rodriguez-Yanez) regelt alles und die Busfahrer (Fabian Koller als Gewerkschafter Garth) unterbrechen ihren Streik, um die Fremden zu ihren Schlafplätzen zu bringen. Echte Freundschaften entstehen in den fünf Tagen, die Reisende und Crew in Gander verbringen (müssen).
Die Rollen sind realen Personen nachempfunden, zum Beispiel Beverley Bass. Sie war die erste Frau, die Flugkapitänin bei American Airlines wurde, 1986, wie die fabelhafte Sanne Mieloo im einzigen Solo des Abends "Me and the Sky" singt. Dann gibt es Diane (sehr stark: Alexandra-Yoana Alexandrova) und Nick (Max Niemeyer), eine Texanerin und einen Briten, die sich in diesen fünf unfreiwilligen Tagen in Gander ineinander verlieben und später sogar heiraten. Ein anderes Paar, Kevin T. (Gernot Romic) und Kevin J. (Lukas Sandmann), trennt sich nach diesem Erlebnis. Und Hannah (Astrid Nowak) muss die Zeit in Neufundland mit Ungewissheit und ohne Kontakt zu ihrem Sohn, der Feuerwehrmann in New York ist, leben. Erst später erfährt sie, dass er bei dem Unglück ums Leben gekommen ist. Christian Fröhlich wechselt fliegend zwischen Muslim Ali, dem viele misstrauen, und dem misstrauischen Bob, der aber zuletzt keine Angst mehr um seine Geldbörse hat. Patrizia Unger gibt die beherzte Jungreporterin Janice und eine bemühte Flugbegleiterin.
Inszenierung und Choreografie aus einem Guss
Matthias Davids' Inszenierung transportiert sowohl die Gefühlswelt der Einheimischen als auch der Fremden. Niemand weiß, was sie erwartet, Unsicherheit, Ungewissheit - wie geht es den Liebsten? Sind Terroristen unter den Fremden? Wann geht der Flug weiter? - Mitgefühl und große Hilfsbereitschaft, aber auch blank liegende Nerven und Streit kommen auf die Bühne. Inszenierung und Choreografie (Kim Duddy) kommen wie aus einem Guss auf die Bühne, Tanz geht über in Schauspiel, Gesang in Text, nie gerät etwas holprig. Starke Szenen sind das gut durchchoreografierte "28 Stunden" im Flieger, die Schweigeminute, das Screech-In, als vier Passagiere Neufundländer werden wollen und dafür den hochprozentigen "Screech" trinken und einen Kabeljau küssen müssen, Anne Mieloos Solo als Beverley, sowie das Treffen nach zehn Jahren. Leading-Team und Ensemble bewältigten eine starke Koordinationsleistung mühelos, die Darstellenden wechseln Rollen, Kostüme und bauen nebenbei das Bühnenbild um.
Großartig ist die Band "The Newfound Screechers", die Tom Bitterlich extra zusammengestellt hat, und die links und rechts auf der Bühne platziert ist. Mit viel Irish Folk - inklusive Bodhran (Rahmentrommel) und tin whistles (Blechflöten) - unterstreichen die Musiker die Emotionen auf der Bühne. Andrew D. Edwards verwendet Stühle als Hauptrequisiten auf der ansonsten leeren Drehbühne, Stimmung erzeugt er mit der Projektion eines Meeres im Hintergrund, das von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang changiert, und bei der Landung in Gander zum Nadelwald wird. Kostümbildner Adam Nee liefert prägnante Lösungen, um die 13 Personen in mehr als doppelt so viele Rollen schlüpfen zu lassen, oft reicht ein Kapperl oder eine andere Jacke und aus Bob wird Ali oder aus der Pilotin die Einheimische.
Viel Schwung, stille Momente
Der ganze Abend ist sehr schwungvoll bis auf wenige stille Momente. Die Geschichte zeigt Solidarität und Menschlichkeit in einer Ausnahmesituation und holt die Heldinnen und Helden eines Nebenschauplatzes vor den Vorhang. Ganz Gander betreute seine "Plane People", von denen viele langjährige Freunde blieben und Ehren-Neufundländer wurden. Beverley Bass kam zur Aufführung von "Come from away" nach Gander und wie viele Passagiere auch zum zehnten Jahrestag des Ereignisses. Zum anhaltenden Schlussapplaus stand das Publikum im Musiktheater, "The Newfound Screechers" spielen einmal mehr auf und statt vielen Verbeugungen feierte das Ensemble nach 100 bewegungsreichen Minuten tanzend die Premiere.
(Von Ulrike Innthaler/APA)
(S E R V I C E - "Come from away" - "die von woanders", österr. Erstaufführung, Musical von Irene Sankoff und David Hein, deutsch von Sabine Ruflair. Mit u.a. Alexandra-Yoana Alexandrova, Astrid Nowak, Sanne Mieloo, Gernot Romic, Lukas Sandmann. Regie: Matthias Davids, Choreographie: Kim Duddy, Musik: Tom Bitterlich, Bühne: Andrew D. Edwards, Kostüme: Adam Nee. Musiktheater Linz, weitere Vorstellungen: 20., 28. November, 4., 19., 27. Dezember. Karten unter )
(APA)
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