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Moskau: Schachweltmeister wieder frei

Bei einer Demonstration von Regierungsgegnern in Moskau ist der Oppositionspolitiker und ehemalige Schachweltmeister Garri Kasparow vorübergehend festgenommen worden.

Am abgesperrten Puschkin-Platz prügelten Beamte mit Schlagstöcken auf friedliche Passanten ein, darunter Pensionisten, sagte der Parlamentsabgeordnete Wladimir Ryschkow dem Radiosender „Echo Moskwy“. Der frühere Schachweltmeister Garri Kasparow sowie weitere Organisatoren der Kundgebung gegen die Politik von Präsident Wladimir Putin wurden ebenfalls in Gewahrsam genommen. Mittlerweile befindet er sich wieder auf freiem Fuß. Die Polizei sprach nach vorläufigen Angaben von 170 Festnahmen.

Hunderte Polizisten waren im Einsatz, viele trugen Helme und kugelsichere Westen. Am Straßenrand standen zahlreiche gepanzerte Einsatzwagen. Die Polizei kontrollierte zudem Passanten. Der Moskauer Polizeisprecher Viktor Birjukow rechtfertigte das Vorgehen der Einsatzkräfte: Alle Beamten hätten sich streng an die russischen Gesetze gehalten. Die Behörden hatten lediglich eine Kundgebung außerhalb der Innenstadt gestattet.

Um die Demonstration der Bewegung Anderes Russland zu unterbinden, waren rund 9.000 Polizisten und Spezialeinheiten des Innenministeriums bereits in den frühen Morgenstunden auf dem Puschkin-Platz aufmarschiert. Die Demonstranten drängten dennoch auf den Platz, manche beschimpften die Sicherheitskräfte als Faschisten, andere riefen Parolen wie „Wir brauchen ein anderes Russland“ und „Nieder mit dem Polizeistaat“. Unmittelbar nach Beginn der Kundgebung gegen Mittag begannen die Sicherheitskräfte mit den Festnahmen.

Vom Puschkin-Platz zogen nichtsdestotrotz einige tausend Menschen mit Fahnen der Opposition zum etwa zwei Kilometer entfernten Turgenjew-Platz, wo die Behörden eine Kundgebung erlaubt hatten. Die Polizei drängte einen Teil der Demonstranten allerdings in eine Seitenstraße ab. An anderen Orten im Stadtzentrum beteiligten sich Hunderte Menschen an Gegendemonstrationen, die von Kreml-nahen Jugendorganisationen organisiert worden waren.

Wie ein AFP-Reporter berichtete, wurde Kasparow gemeinsam mit einer Gruppe Demonstranten in einem Polizeifahrzeug weggebracht. Kasparow und seine Anhänger hätten die Polizisten auf „brutale Weise“ provoziert, begründete ein Polizeisprecher laut der Nachrichtenagentur Interfax die Festnahme. Auch der frühere Regierungschef Michail Kasjanow wurde festgenommen und kurze Zeit später wieder freigelassen. Unter den vorübergehend Festgenommenen waren auch zwei Mitarbeiter des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) sowie drei der Nachrichtenagentur Reuters. „Unsere Leute waren ordnungsgemäß akkreditiert. Die Polizei hat unsere Berichterstattung massiv behindert“, sagt die Leiterin des ZDF-Studios Moskau, Britta Hilpert.

Mit dem so genannten Marsch der Andersdenkenden wollten die Teilnehmer auf die autoritäre Politik Putins sowie auf die wachsenden Unterschiede zwischen Armen und Reichen in Russland aufmerksam machen. Die Spannungen zwischen Regierung und Opposition in Russland haben sich angesichts der im Herbst bevorstehenden Parlamentswahlen und der Präsidentenwahl im März 2008, bei der Putin laut Verfassung nicht erneut kandidieren darf, in den vergangenen Monaten verschärft. In St. Petersburg hatte es Anfang März bei nicht genehmigten Protesten von rund 5.000 Regierungsgegnern zahlreiche Festnahmen gegeben. Weitere Proteste fanden Ende März in Nischni Nowgorod statt.

Ex-Premier Kasjanow forderte bei der Oppositionsdemonstration am Samstag faire Wahlen. „Wir erreichen einen Kurswechsel mit Wahlen. Aber es müssen ehrliche und freie Wahlen sein und nicht nur deren Nachahmung“, sagte er, ehe die Polizei die Veranstaltung für beendet erklärte.

Auch eine für Sonntag in St. Petersburg geplante Demonstration ist von den örtlichen Behörden untersagt worden. Beobachter fürchten, dass es bei den Märschen wie in der jüngsten Vergangenheit zu Ausschreitungen kommen könnte. Bereits am Freitag nahm die Polizei nach Angaben von Gegnern der Regierung Dutzende Oppositionsanhänger fest, als sie Flugblätter verteilten oder sich auf den Weg nach Moskau machen wollten. Der Kreml bezeichnet die Regierungskritiker als Extremisten, die die politische Stabilität in Russland gefährden wollen.

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