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Mohammed-Karikaturen: Weitere Proteste

Bei neuen Protesten gegen die in Europa veröffentlichten Mohammed-Karikaturen sind am Mittwoch in Afghanistan vier Menschen getötet worden. Einige Menschen wurden verletzt.

Während wütende Proteste gegen die in manchen europäischen Zeitungen abgedruckten Karikaturen des Propheten Mohammed in Afghanistan wieder zu Todesopfern geführt haben, haben Politiker und Religionsvertreter in aller Welt zu Mäßigung, Toleranz und Dialog aufgerufen. Österreich als EU-Vorsitzland regte am Mittwoch zudem an, dass der EU-Außenbeauftragte Javier Solana in die moslemischen Länder reisen möge, um dort eine neue Gesprächsbasis herzustellen.

Ein Versöhnungsappell internationaler Organisationen im Streit um die Karikaturen des Propheten Mohammed blieb weitgehend unbeachtet. UNO, EU und Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) hatten am Dienstag in einer Erklärung zu „Ruhe und Besonnenheit aufgerufen“. Trotzdem gab es in vielen moslemischen Ländern Proteste. Die größten Ausschreitungen gab es am Mittwoch in Afghanistan, wo vier Menschen getötet wurden. Die Zahl der Toten im Land bei den seit drei Tagen andauernden Protesten hat sich damit auf mindestens zehn erhöht. Rund dreitausend aufgebrachte Demonstranten randalierten hingegen im pakistanischen Lahore wegen einer angeblichen Schändung des Koran und steckten dabei zwei Kinos in Brand. Die internationale Beobachtermission TIPH in Hebron im Westjordanland wird die Stadt wegen Übergriffen noch am Mittwoch verlassen. An TIPH sind zivile Beobachter aus Norwegen, Schweden, Dänemark, Italien, der Schweiz und der Türkei beteiligt. Bei Protesten in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo wurden dänische, norwegische und kroatische Nationalflaggen verbrannt.

Außenministerin Ursula Plassnik (V) ersuchte indes den EU-Chefdiplomaten Javier Solana, mit der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) in Jeddah das persönliche Gespräch zu suchen. Der OIC gehören 57 islamische Länder an. Der Generalsekretär der OIC, Ekmeleddin Ihsanoglu, brachte bereits sein Bedauern über Angriffe auf europäische Botschaftsgebäude „in deutlichen Worten“ zum Ausdruck und unterstrich, dass derartige Gewaltakte die Grenzen eines gesetzmäßigen Protestes überschreiten würden und nicht wiederholt werden dürften.

Bundeskanzler und EU-Ratsvorsitzender Wolfgang Schüssel (V) zeigte sich erschüttert über Darstellungen auf der Homepage einer moslemischen Immigrantenorganisation (Arab-European League) in Antwerpen und über den Aufruf der iranischen Zeitung „Hamshari“ zu einem so genannten Holocaust-Karikaturen-Wettbewerb. „Ich rufe auf, diese Spirale der gegenseitigen Provokationen und Beleidigungen zu beenden“, appellierte Schüssel. „Wir wollen keinen Clash of Cultures, sondern den Frieden zwischen den unterschiedlichen Kulturen.“ Auch die deutsche Regierung sprach sich für eine Deeskalation der Situation aus.

Ebenfalls am Mittwoch lehnten 14 Moslemverbände in Deutschland die gewaltsamen Proteste gegen die Mohammed-Karikaturen einhellig ab. Um eine neue Diskussionsbasis herzustellen, will außerdem die Organisation Reporter ohne Grenzen am morgigen Donnerstag in Paris eine Konferenz zum Thema abhalten. Die Veranstaltung wird vom arabischen Nachrichtensender Al-Jazeera live übertragen.

Nicht auf Mäßigung, sondern auf Konfrontation setzte der italienische Reformenminister Roberto Calderoli. Der Spitzenpolitiker der rechtspopulistischen Regierungspartei Lega Nord forderte Papst Benedikt XVI. auf, sich an die Spitze eines neuen Kreuzzugs gegen die Moslems zu stellen. „Sie stürmen die Botschaften, wir stehen vor einem kollektiven Fanatismus. Der Papst muss eingreifen“, sagte Calderoli. „Zu den Zeiten der türkischen Belagerung Wiens (1683) und der Seeschlacht von Lepanto (1571) ersetzten die Päpste die Regierungen. Sie bildeten große Koalitionen, um die Islam-Gefahr zu bannen“, so Calderoli, der wegen seiner Provokationen öfters für Schlagzeilen sorgt. „Die Diskriminierung der Christen ist offensichtlich. Das Recht des Koran überragt das normale Gesetz. Der Papst muss mit der islamischen Welt verhandeln, damit auf beiden Seiten Rechte und Pflichten anerkannt werden“, meinte der Minister.

Den Gang vor ein Gericht in Paris überlegt hingegen die Islamische Weltliga. Die Nichtregierungsorganisation (NGO) mit Sitz im saudiarabischen Mekka sieht in der Publikation der umstrittenen Zeichnungen „rassistische Beleidigungen und Aufstachelung zum Rassenhass“.

Angriff auf britische Botschaft

Aus Protest gegen die in mehreren europäischen Zeitungen veröffentlichten Karikaturen des Propheten Mohammed haben Demonstranten am Mittwoch die britische Botschaft in Teheran mit Steinen angegriffen. Eine Großaufgebot von Sicherheitskräften habe die Lage aber zunächst unter Kontrolle gehabt, berichtete ein Augenzeuge in der iranischen Hauptstadt.

In den vergangenen Tagen war es wegen der Karikaturen in Teheran immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen auf diplomatische Vertretungen europäischer Länder gekommen. Am Montag drangen mehrere Iraner in das Gebäude der dänischen Botschaft ein und verwüsteten nach Darstellung des dänischen Botschafters Teile der Einrichtung.

Am selben Tag griffen dort rund 200 Demonstranten auch die Botschaft Österreichs, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, an. Sie schleuderten Brandsätze und Steine auf das Gebäude. Alle Fenster der Vertretung wurden eingeschlagen; das Bürogebäude geriet aber nicht in Brand. Dutzende Sicherheitskräfte hinderten die Demonstranten an der Erstürmung der Botschaft, die daraufhin geschlossen, am Dienstag aber wieder aufgesperrt wurde.

Wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP berichteten, wurden die rund 100 Demonstranten vor dem Eingangsbereich der britischen Botschaft in Teheran von Polizisten zurückgedrängt, nachdem sie durch ihre Steinwürfe mehrere Scheiben zerstört hatten. Die Proteste richteten sich nach Angaben eines Demonstranten nicht gegen die Mohammed-Karikaturen, sondern gegen die Haltung Großbritanniens im Streit um das iranische Atomprogramm. London gehörte zu den Verfassern der Resolution, mit der die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO bzw. IAEA) in der vergangenen Woche den Konflikt an den UNO-Sicherheitsrat überwies.

Vor der dänischen Botschaft protestierten weitere rund 100 Menschen gegen die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen. Sie forderten die Ausweisung des dänischen Botschafters, den sie als „Zionisten“ bezeichneten. Die diplomatische Vertretung war in den vergangenen Tagen bereits zwei Mal das Ziel von Angriffen, bei denen Demonstranten das Gebäude mit Brandsätzen bewarfen.

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