Auf die Frage der Nachrichtenagentur Reuters, wer von den beiden Autobauern sich als Erster angezeigt habe, antwortete eine Person mit Kenntnis der Beratungen am Dienstag: “Die Daimlers.” Weder Volkswagen noch Daimler äußerten sich dazu. Das deutsche Bundeskartellamt lehnte einen Kommentar ab. Die Frage, wer als Erster über die Ziellinie ging, ist wichtig für die Höhe einer möglichen Kartellstrafe. Kronzeugen gehen in der Regel straffrei aus. Die EU-Kommission geht derzeit dem Verdacht illegaler Absprachen von VW, Audi, Porsche, Daimler und BMW in der Pkw-Entwicklung nach.
Ausgangspunkt für die Selbstanzeige von Volkswagen waren dem Insider zufolge Durchsuchungen des Bundeskartellamts wegen eines Stahlkartells vor gut einem Jahr. Daraufhin habe man sich auch andere Dinge angeschaut. Als klar geworden sei, dass bestimmte Verhaltensweisen unter Wettbewerbsgesichtspunkten grenzwertig sein könnten, habe sich VW entschieden, dies gegenüber den Behörden offenzulegen.
Daimler könnte straffrei davonkommen
Damit müsste sich Volkswagen im Falle einer Kartellstrafe womöglich mit einem geringeren Strafnachlass als Daimler begnügen. Denn nach den EU-Bestimmungen wäre für VW allenfalls ein Abschlag von maximal 50 Prozent möglich, während Daimler als Kronzeuge straffrei davonkommen könnte. Voraussetzung dafür, dass VW einen Nachlass bekomme, sei allerdings, dass die Wolfsburger zusätzlich zu den von Daimler vorgelegten Unterlagen weitere “Beweismittel mit erheblichem Mehrwert” eingereicht habe, berichtete die “Süddeutsche Zeitung”. Für beide Konzerne wie auch für den Münchner Hersteller BMW, der ebenfalls Teil eines Kartells gewesen sein soll, geht es um sehr viel Geld.
Die EU-Kommission hatte 2016 gegen vier Lkw-Hersteller Geldstrafen in Höhe von knapp 3 Mrd. Euro verhängt. Auf Daimler entfiel damals mit rund einer Milliarde der größte Brocken. Dem Zeitungsbericht zufolge soll Daimler bereits von 2011 an, als das Lkw-Kartell aufgeflogen war, seine Geschäftspolitik nach und nach geändert haben.
Bis zu 50 Mrd. Euro Strafen möglich
Die deutschen Autobauer Daimler, BМW, Audi, Porsche und VW sollen seit den 90ern illegale Absprachen getroffen haben. Laut BWB-Chef Theodor Thanner ist es “sicher das größte Kartell in Europa”, wenn nicht sogar weltweit in den letzten Jahrzehnten. Noch gelte aber die Unschuldsvermutung. Sollte die EU-Kommission Geldbußen verhängen, drohen den Konzernen Strafen von bis zu 50 Mrd. Euro.
Autobauer sollen sich abgesprochen haben:
Neben den Verbrauchern könnten auch österreichische Zulieferer von den illegalen Absprachen betroffen sein, so Thanner am Dienstag zur APA. Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) wolle daher rasch Klarheit schaffen. “Jeder zweite BMW fährt mit österreichischem Motor”, merkte Thanner an und betonte die hohe Bedeutung des Automobilsektors. Die Branche erwirtschaftete zuletzt einen Jahresumsatz von 43 Mrd. Euro.
Anwalt Poduschka über Kartell-Vorwürfe:
Es wäre zum Beispiel möglich, dass sich die fünf verdächtigen Autobauer ausgemacht hätten, eine neue Technologie nicht einzusetzen, so Thanner. Dadurch könnten österreichische Lieferanten nicht zum Zug gekommen sein.
Sollten sich die Anschuldigungen als wahr herausstellen, drohten den Autoherstellern hohe Geldbußen: EU-Strafen können bis zu zehn Prozent des weltweiten Jahresumsatzes betragen – die fünf verdächtigen Konzerne verbuchten 2016 Erlöse von rund 546 Mrd. Euro. In diesem Fall wären theoretisch also bis zu 50 Mrd. Euro fällig.
Branchenverband: Wussten von Verdacht nichts
Der deutsche Branchenverband VDA wusste nach eigenen Angaben vor den jüngsten Medienberichten nichts vom Kartellverdacht gegen die führenden deutschen Autokonzerne. “Die VDA-Kollegen und ich haben es am Freitag aus der Presse erfahren”, sagte Verbandspräsident Matthias Wissmann dem “Handelsblatt” vom Dienstag.
Berlin. “Uns liegen keine eigenen Erkenntnisse vor”. Die aktuellen Vorwürfe beträfen ein Feld, das nicht Teil der VDA-Arbeit sei. Nicht nur was die Produktsicherheit in der Branche angehe, sondern auch für die Rechtstreue gelte in der Autoindustrie aber eine “Null-Fehler-Toleranz”, betonte er. Die Vorwürfe müssten konsequent aufgeklärt werden. Wissmann warnte vor einer Pauschalverurteilung der gesamten Branche.
Der VDA-Präsident räumte ein, dass die Automobilindustrie bereits durch die Diesel-Affäre erheblich an Vertrauen verloren habe. “Es wiederzugewinnen, ist alles andere als leicht.” Aus dieser Affäre könne die Branche lernen, “dass ein Surfen in rechtlichen Grauzonen von niemandem akzeptiert werden darf”. Um die Probleme beim Diesel zu lösen, der zuletzt im Marktanteil bei den Verkäufen verloren habe, müssten die Hersteller für eine deutliche Reduzierung der Stickoxid-Emissionen sorgen. Und die Politik könnte dann zur mehr Klarheit im Sinne der Verbraucher beitragen, indem sie im Gegenzug auf Fahrverbote in Städten verzichte. Über diese Thema soll bei einem Spitzentreffen von Politik und Herstellern Anfang August gesprochen werden
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