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"Mode hat etwas mit Sex zu tun"

Die Designerin Vivienne Westwood kann - wie im Februar anlässlich einer Ausstellungseröffnung ihr zu Ehren in der Modestadt Düsseldorf - auch heute noch einen unglaublichen Menschenauflauf verursachen. 

Fast wie damals, als die „Mutter des Punk” in den siebziger Jahren, behängt mit Ketten und Vorhängeschlössern und im Gummi-Neglige, in London beinahe den Verkehr zum Erliegen brachte. Am 8. April wird die geniale Provokateurin 65 Jahre alt und gilt längst als lebende Legende.

Die Ideen der Britin – wie etwa die, BHs über Oberteilen zu tragen – sind so oft kopiert worden, dass sie manchmal anderen Designern zugeschrieben werden. „Mode hat immer etwas mit Sex zu tun” und „Man hat ein viel besseres Leben, wenn man beeindruckende Kleidung trägt”, lauten zwei typische Westwood-Sätze. Auffallen will ihre Kundin in jedem Fall, auch wenn sie dafür manchmal aussehen muss, als sei sie einem Kostümfest entsprungen. Vivienne Westwood liebt die gründliche Auseinandersetzung mit historischen Epochen, Barock und Rokoko oder dem viktorianischen Zeitalter. Kaum jemand vermag es wie sie, alte Schnitte auseinander zu nehmen, um sie neu und ungewohnt zusammenzusetzen.

Modegeschichte schrieben etwa ihre Kollektionen „Pirates” (1981), die eine Romantik-Welle auslöste, „Harris-Tweed” (1987), die traditionelle Elemente weiblicher Mode wie Korsett und Krinoline mit mädchenhaft interpretierter Herrenschneiderei verband oder „Anglomania” (1993), bei deren Präsentation selbst das laufstegsichere Top-Model Naomi Campbell auf ihren Schwindel erregenden Absätzen ins Straucheln geriet. Doch sah sie in ihrer Samtjacke und dem Karorock dabei derart entzückend aus, dass der Sturz sowohl ihr als auch der Designerin zusätzliche Popularität verschaffte.

Hohe Absätze, ein hoch geschnürter Busen und betonte Hüften, das sind bis heute Ingredienzen der Westwood-Mode. Frauen sollen damit ihre erotische Anziehungskraft bewusster wahrnehmen. Westwood selbst, die als Vivienne Isabel Swire 1941 als ältestes von drei Kindern in der nordenglischen Kleinstadt Glossop geboren wurde, zog sich schon als Jugendliche auffallend an. Nach einer Ausbildung zur Grundschullehrerin in London heiratete sie 1962 den Steward Derek Westwood und bekam einen Sohn. Doch schon bald wurde ihr das Leben als Hausfrau zu eng. 1965 verließ sie ihren Mann. Sie tat sich mit dem Kunststudenten Malcolm McLaren zusammen und verkaufte mit ihm ab 1971 subversive Mode in einem Laden an der King’s Road.

Nach Rock’n Roll und Fetisch-Sex begann sich das Paar Mitte der siebziger Jahre für eine neue Jugendbewegung zu interessieren. Sie schufen den „Punks” ihr modisches Outfit mit Löchern in den Kleidern, Anarchie-Shirts, Hundehalsbändern und Leder-Look. McLaren war Ideengeber der berüchtigten Band „Sex Pistols”, Westwood kreierte die Kostüme. Modische Eigenständigkeit entwickelte sie jedoch erst, als die Band zusammengebrochen war und sie sich von McLaren getrennt hatte. Sie beschäftigte sich nun mit Modegeschichte und verband diese mit ihrer unkonventionellen Sichtweise.

Heute wird Vivienne Westwood zu den bedeutendsten Designern der Welt gezählt. Sie herrscht über ein kleines Imperium mit Herren- und Damenmode, Accessoires und Parfüm. Nebenbei unterrichtete sie als Gastprofessorin in Berlin. Und wäre da nicht die Ehe mit dem Jahrzehnte jüngeren Designer Andreas Kronthaler, neben dem sie sich auch als nackte Venus ablichten ließ, so könnte man die rotgelockte Engländerin fast für eine etwas biedere Matrone halten. Aber eben nur fast, denn auf dem Laufsteg tanzt sie immer noch zu Rockmusik.

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