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Mitterlehner mit 99,1 Prozent zu neuem ÖVP-Chef gewählt

Mit einem rekordverdächtigen Ergebnis ist Mitterlehner zum neuen ÖVP-Chef gewählt worden.
Mit einem rekordverdächtigen Ergebnis ist Mitterlehner zum neuen ÖVP-Chef gewählt worden. ©APA
Reinhold Mitterlehner ist beim ÖVP-Parteitag mit ei­nem rekordverdächtigem Ergebnis zum neuen Parteichef gewählt worden.Vor seiner Kür stellte er den Kanzleranspruch – verbrämt mit einem lapidaren “Was sonst?”.
Spindelegger: Ein gescheiterter Minister

Mitterlehner erhielt beim Parteitag am Samstag in Wien 99,1 Prozent, das heißt 446 der 450 Stimmen wurden für ihn abgegeben. In den vergangenen 30 Jahren Parteigeschichte ist dies ein einmaliger Höchstwert. Alle Stimmen waren gültig. Seine Stellvertreter landeten allesamt über der 90-Prozent-Marke: Elisabeth Köstinger erhielt 94,7 Prozent, Johanna Mikl-Leitner 92,9 Prozent und Reinhold Lopatka 94,9 Prozent. Sebastian Kurz als vierter im Bunde erzielte gar 98,4 Prozent. 97,1 Prozent sprachen sich für Peter Haubner als neuen Bundesfinanzreferenten aus.

Mitterlehner “schlägt” Schüssel

Den Bestwert in der jüngeren Geschichte bei der Kür des ÖVP-Parteichefs hatte es 1999 gegeben, als Wolfgang Schüssel mit 95,9 Prozent erstmals im Amt bestätigt wurde. Seine Wahl im Jahr 1995 hatten 95,5 der damaligen Delegierten unterstützt. 2003 erzielte Schüssel, den Mitterlehner am Samstag mit “unser Bundeskanzler” titulierte, 94 Prozent. Sein Nachfolger Wilhelm Molterer übernahm 2007 mit 97,04 Prozent, Josef Pröll erzielte 2008 89,6 Prozent, was das schlechteste Wahlergebnis ohne Kampfabstimmung seit 1945 darstellte.

Eine dieser Kampfabstimmungen war im Jahr 1991 das Match Erhard Busek gegen Bernhard Görg. Busek gewann dieses nur knapp mit 56,4 Prozent (zu Görgs 43,6 Prozent). Sein Vorgänger Josef Riegler hatte zwei Jahre zuvor mit 90,54 Prozent die Nachfolge von Alois Mock angetreten.

“Django” stellt Kanzleranspruch

Vor seiner Kür durch den Bundesparteitag stellte der neue ÖVP-Obmann den Kanzleranspruch – verbrämt mit einem lapidaren “Was sonst?”. “Wir wollen das Land führen”, so seine Devise für die VP. Er zieht unter dem Banner der “sozialen Marktwirtschaft” in das “Match für Österreich”. Auf Angriffe auf die Konkurrenz verzichtete er, abgesehen von einigen Spitzen.

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Für "Django" gabs als Begrüßungsgeschenk einen Cowboystiefel. Foto: APA ©Für “Django” Mitterlehner gabs zur Begrüßung einen Cowboystiefel. Foto: APA

In der Frage nach dem Führungsanspruch griff er nach einer Fußball-Metapher. Nach “Punkten”, also Prozentzahlen in Umfragen, läge man “gleichauf. Ja Himmel nochmal! Wenn wir mit unserem Team im Aufwärmen sind und die andern sind schon im Schwitzen, dann werden wir doch nicht abstellen. Dann gibt’s doch nur eines: Wir wollen das Land führen.” Aus der Position als zweiter erster zu werden, das “geht, wenn man will”. Und werde man erster, “stellen wir auch den Kanzleranspruch – was sonst.”

Neuer ÖVP-Chef zieht ins “Match für Österreich”

Gewinnen wolle man “kein Match gegen die Länder, kein Match gegen die Gemeinden, kein Match gegen die Bünde”: “Wir führen ein Match für Österreich.” Dementsprechend appellierte er auch die Partei zu Geschlossenheit, und deswegen verzichte er auf Attacken auf die politischen Mitbewerber: “Ich hab die anderen gar nicht abqualifiziert. Wenn wir vorangehen in der Gemeinsamkeit, sind wir unschlagbar.” Und weiter: “Wir müssen alle an einem Strang ziehen – aber bitte in die gleiche Richtung.”

Schwarze Seitenhiebe in Richtung Grün und Rot

Freilich, den einen oder anderen Seitenhieb konnte sich Mitterlehner in seiner knapp einstündigen, über weite Strecken launig angelegten Rede nicht verkneifen. Etwa, als er die “Ökosoziale Marktwirtschaft” zur zentralen Programmatik ausrief. “Die einen sind nur öko, die anderen sind nur sozial”, stichelte er in Richtung Grün und Rot. “Die dritten rauchen sich grad ein”, werden die NEOS das Cannabis-Thema nicht los, und die FPÖ “wolle überhaupt mehr Brutto vom Netto”, so Mitterlehners Anspielung auf eine FPÖ-OTS vor einigen Wochen. Das “Team Frank, die sind im ökonomischen Gleichgewicht. Aber ein eigenartiges ökonomisches Gleichgewicht – kein Angebot, keine Nachfrage.”

Inhaltlich unterstrich Mitterlehner die jüngt von ihm lancierten Positionen, die nicht unbedingt im Sinne des Koalitionspartners SPÖ sind: etwa in der Frage der Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitssuchende. Und was die Forderung nach einer Steuergutschrift für Geringverdiener (“Negativsteuer”) angeht, stärkte er seinem Finanzminister Hans Jörg Schelling den Rücken: Entlastung müsse Anreize schaffen, nicht “Abhängigkeit”. Eine weitere Absage gab es für Vermögenssteuern mit der Ansage “wir wollen keine Substanzverteilung”.

Die früheren ÖVP-Obmänner Wolfgang Schüssel, Wilhelm Molterer und Josef Pröll beim ÖVP-Bundesparteitag in Wien. Foto: APA
Die früheren ÖVP-Obmänner Wolfgang Schüssel, Wilhelm Molterer und Josef Pröll beim ÖVP-Bundesparteitag in Wien. Foto: APA ©Die früheren ÖVP-Obmänner Wolfgang Schüssel, Wilhelm Molterer und Josef Pröll beim ÖVP-Bundesparteitag in Wien. Foto: APA

Als wesentliche Themen seiner Obmannschaft skizzierte der Mühlviertler unter anderem Familienpolitik, “solide Finanzen”, Wirtschaft und Arbeitsmarkt, Wissensgesellschaft und die Pensionen. Bei letzterem seien Reformen dringend nötig, wenngleich Mitterlehner einräumte, dass es bei den Verhandlungen über das Bonus-Malus-System schneller gehen könnte. Er bekräftigte aber, dass diese bei den Sozialpartnern gut aufgehoben seien. Für die Partei will er Offenheit und das Vertrauen der Bürger in die Politik steigern. So schweben ihm etwa Online-Befragungen und eine Öffnung des Vorstandes für Themen von außerhalb vor. Nicht umsonst habe man dem Parteitag das Motto “Zuhören. Verstehen. Umsetzen.” verpasst.

Mitterlehners Rede wurde mit lang anhaltendem Applaus und Standing Ovations quittiert. Hernach schritten die rund 450 Delegierten zur Stimmabgabe.

SPÖ fordert “Gerechtigkeit”, NEOS “Mut zur Erneuerung”

Aus der ÖVP kamen am Samstag die üblichen Gratulationsadressen der Bünde und Landesparteien an den neu gewählten Parteichef. Gratuliert haben auch die NEOS, gleichzeitig aber “Mut zur Erneuerung” vom Vizekanzler gefordert. Kritik an den Steuerreformplänen der ÖVP kommt von der SPÖ, Kritik und Häme von der FPÖ.

SP-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos stieß sich daran, dass Mitterlehner am Parteitag einer Vermögensteuer neuerlich eine Absage erteilt und sich gegen höhere Negativsteuern für Geringverdiener ausgesprochen hatte. Darabos kritisierte, dass die ÖVP vor allem Gutverdiener entlasten wolle.

“Wir gratulieren natürlich und wünschen ihm für seine schwere Aufgabe alles Gute”, so NEOS-Bundesgeschäftsführer Feri Thierry in Richtung Mitterlehner. Angesichts hoher Arbeitslosigkeit, schlechter Wirtschaftsdaten und schwacher Standort-Rankings müsse die Regierung “mutige Reformschritte” setzen. Mitterlehner müsse sich dabei aber sowohl gegen die SPÖ behaupten als auch “festgewachsene Strukturen” in der ÖVP berücksichtigen. Thierry bezweifelt daher, dass so wirkliche Reformen gelingen können.

FPÖ: “Dieser Django schießt mit Platzpatronen”

Die FPÖ hingegen empfing Mitterlehner mit Kritik und Häme. Zukunftsweisende Aussagen habe es nicht gegeben. “Dieser Django schießt nur mit Platzpatronen”, so FP-Generalsekretär Herbert Kickl. Der Parteitag habe an eine Selbsthilfegruppe politisch Frustrierter erinnert, die es wieder einmal mit einem neuen Therapeuten probiere und sich einrede, dass es jetzt aufwärts gehe.

Keinen Zweifel an Mitterlehner haben naturgemäß die Teilorganisationen der ÖVP: Wirtschafts- und Arbeitnehmerbund, Bauern- und Seniorenbund, Junge Volkspartei und ÖVP-Frauen richteten Gratulationsadressen an den neuen Parteichef. Auch mehrere Landesparteien gratulierten mittels Presseaussendungen. So meinte der Tiroler Landeschef Günther Platter, die Stimmung in der Partei habe sich zuletzt “massiv verbessert”: “Ohne Zweifel – die ÖVP hat wieder Tritt gefasst.”


Mitterlehner ist gern Django, Spindelegger Privatmann

Reinhold Mitterlehner hat sich daran gewöhnt, dass sein Alter Ego als “Django” sein Image in der Öffentlichkeit mitbestimmt. Am Anfang sei er “über den ganzen Hype” doch “unsicher” gewesen. Allerdings habe sich gezeigt, dass ihm der Westernheld helfe, mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten.

Jüngst sei er nach dem Besuch eines Fußballspiels von Zuschauern vor dem Stadion spontan mit dem “Django-Lied” begrüßt worden. “Glaubt ihr, dass ich den Kontakt herstellen hätte können nach dem Motto ‘Grüß Gott, ich bin der Neue’?” fragte er zur Erheiterung des Parteivolkes. Dieses hatte zuvor den Auftritt des neuen Chefs munter eingeklatscht – zu den Klängen der “Django”-Titelmelodie. Mitterlehner räumte denn auch ein: Er habe diesen CV-Verbindungsnamen seit 30 Jahren und sich nie gedacht, dass der “jemals wichtig für die ÖVP sein wird”.

ÖVP-Parteitag: Mitterlehner nun offiziell in den Fußspuren Spindeleggers unterwegs.
ÖVP-Parteitag: Mitterlehner nun offiziell in den Fußspuren Spindeleggers unterwegs. ©ÖVP-Parteitag: Abschied und Neuanfang – Mitterlehner folgt Spindelegger. Foto: APA

Sein Vorgänger Michael Spindelegger – dem Mitterlehner ebenso wie dem ausgeschiedenen Staatssekretär Jochen Danninger übrigens am Samstag noch einmal ausdrücklich dankte – will dagegen in der Öffentlichkeit am liebsten gar keinen Namen mehr haben. Abgesehen von seiner Abschiedsrede wollte er sich nicht mehr öffentlich äußern. Gegenüber Journalisten meinte der frühere Vizekanzler lediglich, er sei nun ein “Privatmann”. (APA/red)

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