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Mithäftling in JA Josefstadt den Schädel eingeschlagen: Prozess um Mordversuch

Beim Prozess in Wien
Beim Prozess in Wien ©APA
Weil er in der Justizanstalt Wien-Josefstadt einem jüngeren Mithäftling mit einer Hantel-Scheibe den Schädel eingeschlagen hatte, musste sich der als Gewalttäter amtsbekannte Sandor Z. am Mittwoch wegen versuchten Mordes im Wiener Straflandesgericht verantworten.
Beim Prozess in Wien
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Verfahren angekündigt

Der 45-Jährige hatte in der Nacht auf den 31. August 2011 in einer Zwei-Mann-Zelle einen zum Tatzeitpunkt 22-jährigen Mann attackiert – wenige Stunden, nachdem die beiden über die Notruftaste zwei Justizwachebeamte in ihren Haftraum hatten kommen lassen und um separate Zellen baten.

Häftlinge vertrugen sich nicht mehr

“Sie haben uns gesagt, dass sie sich nicht mehr vertragen”, berichtete eine Beamtin nun dem Schwurgericht (Vorsitz: Sonja Weis). Da es bereits knapp vor 20.00 Uhr war, wurden die Häftlinge vertröstet: “Wir haben sie gefragt, ob sie es bis in die Früh schaffen. Sie waren beide damit einverstanden, dass wir in der Früh mit dem Stock-Chef reden und sie verlegt werden.”

Bevor der Morgen graute – nämlich knapp nach 1.00 Uhr – standen neuerlich mehrere Justizwachebeamte und ein Anstaltsarzt in der Zelle C3/332. Diesmal lag der 22-Jährige mit zerschmettertem Schädel und ohne Bewusstsein in seinem Blut. Sandor Z. befand sich mehrere Meter von ihm entfernt in seitlicher Rückenlage am Boden. In seinem Bauch steckte ein Messer.

Sandor Z. war bereits wegen Mordversuch in Haft

Laut Anklage soll der 45-Jährige in einem Streit seinem Zellengenossen das Gewicht einer Langhantel – eine Metallscheibe mit einem Durchmesser von acht Zentimeter – gegen die linke Schädelhälfte gedroschen haben. Sandor S. saß zum Tatzeitpunkt infolge eines offenen Mordversuch-Verfahrens – er hatte in der Silvesternacht 2009/2010 vor einem Lokal mehrere Männer mit einem Messer attackiert und einem von ihnen einen lebensgefährlichen Lungenstich versetzt – in U-Haft. Er dürfte seine Anspannung ob des ungewissen Ausgang seines Strafverfahrens und der ihm drohenden langjährigen Haft an seinem Mitgefangenen abreagiert haben.

Prozess in Wien: Angeklagter sprach von Notwehr

Vor den Geschworenen behauptete Sandor Z. – er wurde wegen des fast vier Jahre zurückliegenden Vorfalls inzwischen rechtskräftig zu 16,5 Jahren Haft verurteilt, die er in der Justizvollzugsanstalt Garsten verbüßt -, in Notwehr gehandelt zu haben. Der Jüngere habe ihn mitten in der Nacht mit einem Brotmesser attackiert, nachdem er von diesem schon zuvor gewürgt und geschlagen worden sei: “Er hat mich niedergedrückt und hat mich gestochen.” Er habe am Boden liegend nach hinten gegriffen, eine Hantel-Scheibe zu fassen bekommen und zugeschlagen.

Sowohl der mittlerweile 24-Jährige, der seinerzeit wegen gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls in U-Haft gelandet war und sich inzwischen wieder auf freiem Fuß befindet, als auch ein DNA-Gutachten widersprachen dieser Darstellung. Am Griff und auf der Klinge des Messers fanden sich ausschließlich genetische Spuren des 45-Jährigen.

Selbst mit Messer in den Bauch gestochen?

Dagegen konnten keine Merkmale des angeblichen Angreifers entdeckt werden, was den Schluss nahe legt, dass sich Sandor Z. die Verletzung – laut Gerichtsmedizinerin Elisabeth Friedrich eine oberflächliche Stichwunde, die den Bauchraum nicht eröffnete – selbst zugefügt haben dürfte, um – so zumindest der Verdacht – nachträglich eine Notwehr-Situation zu suggerieren.

Der lebensgefährlich verletzte jüngere Mann konnte dank mehrerer Operationen gerettet werden. Infolge der erlittenen Hirnverletzungen treten bei dem 24-Jährigen seither aber epileptische Anfälle auf, was die Gerichtsmedizinerin kausal auf die inkriminierte Gewalttat zurückführte. Ob dieser je wieder in seinem angestammten Beruf als Kellner arbeiten könne, sei fraglich, zumal ihm erst vor wenigen Wochen die rechte Schädeldecke wieder eingesetzt worden sei, erläuterte Friedrich.

JA Josefstadt in schlechtem Licht

Ob der 24-Jährige mit einer Fünf-Kilo-Scheibe oder einem leichteren Gewicht attackiert wurde, konnte die Sachverständige nicht klären. Aus unverständlichen Gründen hatte man in der JA Josefstadt die blutverschmierte Scheibe nicht beschlagnahmt, so dass sich die Tatwaffe nicht mehr feststellen ließ.

Überhaupt warf das Verfahren kein besonders gutes Licht auf die JA Josefstadt, die erst im vergangenen Sommer ins Gerede gekommen war, als in der Jugendabteilung ein 14-Jähriger von Mitgefangenen vergewaltigt wurde. Ausgerechnet in der Zelle des mehrfach vorbestraften Gewalttäters Sandor Z. – er wies bereits eine Vorstrafe wegen schwerer Körperverletzung auf und hatte ein Verfahren in Richtung Mordversuch offen – wurden kistenweise Hantelstangen und teilweise mehrere Kilogramm schwerere Gewichte gelagert, die allesamt als Schlag- oder Hieb-Waffen geeignet waren.

“Das reicht für mehrere Morde”

Grund: Infolge Platzmangels war ein angrenzender Trainingsraum in eine Zelle “rückverwandelt” worden, die Trainingsgeräte stellte man “aus logistischen Gründen” – so die Erklärung eines als Zeugen vernommenen Justizwachebeamten – einfach zu Sandor Z. in die Zelle.

“Alle Achtung”, kommentierte der beisitzende Richter Norbert Gerstberger diese Vorgangsweise, “das reicht für mehrere Morde”.

(apa/red)

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