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Mit kosmischen Strahlen gegen schmutzige Bomben

Im vierten Jahr nach den verheerenden Terroranschlägen vom 11. September 2001 sehen Parlamentarier in den USA noch immer große Lücken bei der Vorbeugung neuer Attacken.

US-Pilotenverbände bemängeln Nachlässigkeiten in der Flugsicherheit. Schließlich schlagen Fachleute Alarm, weil an den zahlreichen Häfen, Flughäfen und Grenzübergängen der USA von Millionen angelieferten Frachtcontainern gerade einmal fünf Prozent kontrolliert werden können. Um zu verhindern, dass auf diesen Wegen möglicherweise eine radioaktiv verseuchte Bombe die Vereinigten Staaten erreicht, wollen Wissenschaftler nun die Kraft kosmischer Strahlen nutzen.

Mithilfe von verbesserten Versionen bereits existierender Detektoren erhoffen sich Forscher einen besseren „Durchblick“ bei den Metallcontainern, ohne sie massenhaft öffnen zu müssen. Die Spezialgeräte können kleinste Teilchen, so genannte Myonen, aufspüren, die beim Eintritt kosmischer Strahlung in die Erdatmosphäre entstehen. Mit dieser Methode blickten japanische Wissenschaftler bereits in das Innere von aktiven Vulkanen oder in die ägyptische Cheops-Pyramide.

Selbst gefährliche Fracht, die zum Abschirmen in Bleibehältern versteckt sei, könne einem Myonen-Staubsauger nicht verborgen bleiben, erklärt der Physiker Chris Morris vom Los Alamos National Laboratory. „Bestehende radiografische Methoden sind ineffizient zum Aufspüren von abgeschirmtem Nuklearmaterial“, betont Morris. Außerdem würden herkömmliche Verfahren die Gesundheit sowohl der Kontrollore als auch von etwaigen Fahrzeuginsassen gefährden. Die hochenergetische Teilchenstrahlung durch Myonen sei aber ohnehin schon vorhanden und stelle daher kein zusätzliches Risiko dar.

Bisheriges Gerät kann eine gut getarnte „schmutzige Bombe“ möglicherweise nicht erkennen, fürchten US-Regierung und Forscher. Zwar wäre die radioaktive Strahlung bei der Explosion einer solchen Bombe auf nur wenige hundert Quadratmeter beschränkt, doch die psychologischen Effekte könnten eine ganze Gesellschaft erschüttern. Daher wird nun die Entwicklung von Verfahren wie der Durchleuchtung mittels kosmischer Teilchen vorangetrieben. „Wir glauben, dass wir alle großen Hindernisse überwunden haben und jetzt einen Prototyp für eine Reihe von Sicherheitsszenarien bauen können“, gibt sich Larry Schultz von dem Labor in Los Alamos überzeugt.

Anders als die wesentlich schwächeren Röntgenstrahlen beim Zahnarzt gehen kosmische Strahlen nicht von einem bestimmten Punkt aus, sondern treffen den Erdball aus allen erdenklichen Winkeln. Die Herausforderung für Erfassungssysteme ist daher die Entwicklung von Computerformeln, die eine dreidimensionale Rekonstruktion der durchstrahlten Masse ermöglichen. Der Detektor müsste also zunächst die Energie von Teilchen vor dem Eintritt in Objekte wie einen Container messen und dann deren Abweichung beim Austritt. Wenn dann die dazwischen verloren gegangene Energie und die Abweichung vom Eintrittswinkel gemessen wird, kann ein Computer daraus ein Bild herstellen, beschreibt Kanetada Nagamine vom japanischen KEK-Myonenforschungslabor den Vorgang.

Weil Myonen wesentlich energetischer sind als Neutronen und Gammastrahlen, können sie auch Plutonium, Uran und Blei sowie Stahl, Aluminium und die in Öl enthaltenen Kohlenstoff- und Wasserstoffatome durchdringen. Auf diese Weise könne ein Myonen-Detektor eben auch Nuklearmaterial oder einen Bleimantel aufspüren, der eine „schmutzige Bombe“ vor Röntgenstrahlen verbergen soll, erklärt Wissenschaftler Schultz.

Bei diesem neuartigen Verfahren würde die Fehlerquote bei gerade drei Prozent liegen, sagt Los-Alamos-Forschungsgruppenleiter Rick Chartrand. Die Quote werde sich mit zunehmender Zeit und Erfahrung noch verbessern. Ein Myonen-Spürgerät zum Tarif von rund einer Million Dollar (753.069 Euro) könne beispielsweise einen Lastwagen in 20 Sekunden und einen Schiffscontainer in einer Minute durchleuchten, preist Chartrand die neue Technik.

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