Miriam Cahn lädt im Kunsthaus Bregenz zum "Genauen Hinschauen"

Auf den vier Ebenen des Kunsthaus Bregenz (KUB) ist zum 70. Geburtstag der feministischen Malerin – oder besser: der malenden Feministin – ein Querschnitt aus ihrem Schaffen zu sehen. “Das Genaue Hinschauen” ist bis 30. Juni geöffnet.
Direktor Thomas D. Trummer zeigte sich erfreut, dass Cahn seiner Einladung zur Ausstellung so rasch folgte. Sie setze in ihrer Ausstellung das Sakrale gegen das Profane, so die Künstlerin am Donnerstag bei der Presseführung. Dem Zumthor-Bau als zeitgenössischem Kunsttempel stelle sie das Profane gegenüber, etwa ihre “Abteilung Sex”. Viele ihrer Akte referierten auf Courbets “L’Origin du Monde” (1866). Nur dass Cahn ihren Frauenfiguren einen Kopf und Augen verleiht, mit denen sie auf den Betrachter zurückblicken und so vom Objekt zum Subjekt werden. Das Motiv der masturbierenden Frau, die zurückblicke, sei von Künstlerinnen noch nicht oft gewählt, erklärte Cahn. “Das ist ein offenes Feld, das wir beackern sollten”, so die Künstlerin, die so ihre Forderung nach einem Machtausgleich zwischen Männern und Frauen ausdrückte.
Weiblicher Körper bloßgelegt
Die Schweizerin, die heute in Stampa (Graubünden) lebt und arbeitet, bevorzugt eine performative, intuitive und sehr schnelle Arbeitsweise. “Ich tauche ein, mein Körper ist mein Werkzeug, raus und fertig”, beschrieb sie ihr Vorgehen. Im Erdgeschoß sind Zeichnungen und mit Farbe bearbeitete, kleinformatige Fotografien ihrer Arbeiten ausgestellt. Die 2018 entstandene Serie “liebenmüssen – Das Genaue Hinschauen” legt den weiblichen Körper bloß, macht einen Spagat zwischen pornografischer Schaulust und der #MeToo-Debatte. Der Betrachter muss sich auch in seiner Haltung auf das Werk einlassen, einmal muss er sich bücken, ein anderes Mal ganz nah hingehen.
Im ersten Stock finden sich teilweise mit geschlossenen Augen gemalte Kreidezeichnungen der Künstlerin aus den 1980er- und frühen 1990er-Jahren, die sie am Boden ausgelegt hat, weil ihre übliche Hängung mit Nägeln und Tacker auf Zumthors Betonwänden nicht funktionierte. Zu sehen sind Pflanzen, Tiere, Kinder, Frauen, eine Schiff-Serie, eine Ölplattform, vieles davon in tiefem Schwarz. Ihre im zweiten Stock des KUB frei hängende, raumhohe Kreideserie auf Architektenpapier von 1982 stelle die durch Kriegsgerät und das World Trade Center symbolisierte Männerwelt der Frauenwelt – Haus und Krankenbett – gegenüber, ein Statement für die Abrüstung im Kalten Krieg, so die kompromisslose Künstlerin, die im Sommer ihren 70er feiert.
Wut über den Umgang mit Flüchtlingen
Intensive Farbigkeit findet sich in der Ausstellung erst im obersten Stockwerk. Auf den dort gezeigten, aktuellen Gemälden reagiert die bei Basel geborene Künstlerin auf derzeitige Debatten – Menschen in ihrer Verwundbarkeit, ihrem Begehren, in Vereinsamung, im Geschlechterkampf. So versinken auf “Mare Nostrum” von 2008 schemenhafte Menschen stumm und namenlos im Meer. Den Worten der Künstlerin dazu ist ihre Wut über den Umgang Europas mit Flüchtlingen anzumerken.
Auf einem titellosen Bild von 2017 schlägt ein masturbierender Mann grinsend einer Frau ins Gesicht, ein wenig verhohlenes Statement zu sexueller Gewalt an Frauen. Daneben finden sich immer wieder lächelnd masturbierende Frauen, deren offen gezeigtes Begehren aggressiv wirkt. “Frauen müssen mehr aktiv werden”, forderte Cahn. Die geänderte Darstellung von Frauen, auch in der Kunst, könnte eine Veränderung im Denken bringen, so ihre fortwährende Hoffnung. Sie habe jedenfalls noch “einen Haufen Arbeit, bis ich abkratze”.
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