Vier Emser Kollegen beliefern die V-Milch nicht mehr. Wie lange? Bis wir alle 43 Cent pro Liter kriegen. In Sulz streike schon der nächste. Helgar Gerer von der Interessensvertretung der Grünland- und Rinderbauern (IG Milch) ist zufrieden. Die Streikfront wächst, denn es heißt jetzt oder nie. Friedvoll liegt dagegen der Schellenhof im Höchster Ried. Milch fließt in den Tankwagen. Noch, sagt Bauer Sieghard Nagel. Er möchte kein Lebensmittel wegschütten. Er lebt ja davon. 24 Kühe melkt er täglich. Die geben 500 Liter Milch. Dafür kriegt er 42 Cent je Liter. Sofern er S-Qualität erreicht. Sonst verringert sich der Preis. Im April ist Nagel um zwei Klassen gefallen. Jetzt behandelt er 15 Kühe mit Antibiotika. Ein Virus war schuld.
Familienbetrieb
Bei Nagels ziehen wie auf vielen Höfen Großeltern, Eltern und Kinder an einem Strang. Sonst ginge es nicht. Sieghard fährt nebenher als Taglöhner Lkw, wenn sich Gelegenheit bietet. Baut mit seiner Frau Edith eben eine Hühnerzucht auf. Das alles zusammen ernährt die Familie. Wie viel Erspartes bleibt übrig? Da schüttelt er den Kopf. Nix. Er muss Schulden zahlen. Der Stall ist in den Fünfzigerjahren abgebrannt. Sie haben ihn neu gebaut und 1991 erweitert. Das Wohnhaus wurde saniert. So sind auch die 16.000 Euro Fördergelder von Land und EU, die Nagel 2007 erhalten hat, in der Schuldentilgung verschwunden.
Streik? Wohl kaum
Nein, Nagel will seine Milch nicht wegschütten. Obgleich er mehr Geld gut brauchen könnte. Einen Streik hielte er kaum lange durch. Wie ist das eigentlich, fragt er, wenn Arbeiter streiken? Kriegen die dann was bezahlt? Bauern haben keine Gewerkschaft. Und der IG Milch ist er nicht beigetreten. Aus Zeitmangel und weil das Gerücht umging, jedes andere IG-Mitglied könne dann auf seinem Hof seine Milch auslassen. Nagel schüttelt nachhaltig den Kopf: Auf meinem Hof entscheide ich, sagt der Bauer. In Langen bei Bregenz denkt Harald Elbs ähnlich. Auch er hält es für das falsche Zeichen, ein Lebensmittel zu vernichten. Elbs sagt unumwunden, dass wir 2007 um diese Zeit einen niedrigeren Milchpreis hatten, und jetzt ist so ein Wirbel . . . Und wenn schon protestieren, dann schlägt er vor, die Milch wenigstens zu Käse zu verarbeiten. Es gebe genügend Molkereien in bäuerlicher Hand und gemeinsame Käsekeller. So bliebe der Rohstoff erhalten und doch ginge die Trinkmilch zur Neige, damit der Konsument merke, dass eben nichts selbstverständlich ist. Am Abend dieses Tages platzt in Wien dann der Milchgipfel. Vertreter des Handels, der Molkereiwirtschaft und der Landwirtschaftskammer gehen ohne Einigung auseinander. Da drehen schon die nächsten Bauern den Milchhahn ab und verschränken die Arme.
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