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Merkel und Tusk würdigen türkische Flüchtlingspolitik

Schwierige Reise für Bundeskanzlerin Merkel
Schwierige Reise für Bundeskanzlerin Merkel
Nach dem Besuch eines Flüchtlingslagers an der türkisch-syrischen Grenze haben EU-Ratspräsident Donald Tusk und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel die Anstrengungen Ankaras in der Flüchtlingskrise gewürdigt. Merkel lobte die Aufnahme von drei Millionen Menschen durch die Türkei. Der türkische Premier Ahmed Davutoglu bezeichnete die vereinbarte Visafreiheit für türkische Bürger als "essenziell".


Mit der Aufnahme von drei Millionen Menschen habe die Türkei “den allergrößten Beitrag” bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme übernommen, sagte Merkel im türkischen Gaziantep. EU-Ratspräsident Tusk sagte bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel, Davutoglu und Vize-EU-Kommissionspräsident Frans Timmermans, die Türkei sei “heute das beste Beispiel für die Welt insgesamt, wie wir mit Flüchtlingen umgehen sollten”. Keiner habe “das Recht, belehrend auf die Türkei einzuwirken, wenn es darum geht, wie man sich richtig verhält”. Die Flüchtlingsströme über die Ägäis hätten seit dem am 18. März geschlossenen EU-Türkei-Abkommen “deutlich abgenommen”.

Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen, darunter Amnesty International, kritisieren hingegen, die Türkei sei kein sicheres Zufluchtsland. Den Vorwurf, die Türkei schicke Flüchtlinge gegen ihren Willen nach Syrien zurück, wies der Ministerpräsident zurück. “So etwas machen wir nicht”, sagte er. Zugleich kündigte Davutoglu an, dass die Türkei den Zustrom von Flüchtlingen nach Griechenland weiter reduzieren will. Derzeit würden durchschnittlich 130 Menschen täglich auf die griechischen Inseln kommen.

Merkel, Tusk und Timmermans hatten zuvor das Flüchtlingslager Nizip 2 nahe Gaziantep besucht, in dem nach türkischen Angaben 5.000 Menschen leben, darunter 1.900 Kinder. Über dem Eingang zum Flüchtlingslager prangte ein Banner mit der Aufschrift “Willkommen in der Türkei, dem Land, das die meisten Flüchtlinge der Welt aufnimmt”.

Merkel weihte außerdem mit Davutoglu ein mit EU-Geldern finanziertes Kinderschutzzentrum in Gaziantep ein. Es gebe viele Waisen, viele Kinder mit Behinderungen, viele traumatisierte Eltern, fasste die Kanzlerin ihre Eindrücke zusammen.

Laut Tusk wird die EU noch bis Ende Juli rund eine Milliarde Euro für Flüchtlingsprojekte in der Türkei freigeben. Das Geld stammt aus den drei Milliarden Euro, die die EU in einem ersten Schritt für Projekte zahlen will, um das Leben der rund 2,7 Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei zu verbessern. Dazu gehören der Aufbau von Schulen, Betreuungsprojekten und die bessere Versorgung von Syrern. Merkel betonte, dass nur zehn bis 15 Prozent der Flüchtlinge bisher in den Genuss etwa von schulischen Angeboten kämen, weil sie nicht innerhalb von Flüchtlingscamps wohnten. Hier wolle die EU helfen. Bisher sind erst 93 Millionen Euro für solche Projekte freigegeben, die die EU-Kommission prüfen und genehmigen muss. Timmermans kündigte an, dass die EU künftig für neue Projekte auch direkt Verträge etwa mit türkischen Schulbehörden schließen könne.

Davutoglu bekräftigte die Forderung Ankaras nach einer Visafreiheit für Türken bei Reisen in den Schengen-Raum. “Das ist für die Türkei essenziell”, sagte er. Die Visa-Befreiung ist Teil des EU-Türkei-Pakts zur Eindämmung des Flüchtlingsandrangs in die EU. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte zuletzt gewarnt, die Umsetzung des Pakts sei an die Gewährung der Visafreiheit gekoppelt.

Ein Entwurf der EU zu den geplanten Visaregelungen soll am 4. Mai vorliegen. In mehreren EU-Staaten gibt es aber Bedenken gegen die Reiseerleichterungen. Der ungarische Regierungschef Viktor Orban, einer der entschiedensten Kritiker Merkels in der Flüchtlingskrise, sagte der “Wirtschaftswoche” dazu: “Wir sind der Türkei ausgeliefert. So etwas ist nicht gut.” Die Sicherheit der Europäischen Union dürfe “sich nicht in der Hand einer Macht außerhalb der EU befinden”.

Lob für ihre Flüchtlingspolitik bekam Merkel von US-Präsident Barack Obama. Deren Haltung sei “mutig” gewesen – “genauso wie die vieler Deutscher”, sagte Obama der “Bild”-Zeitung. Merkel habe “wahre politische und moralische Führung” gezeigt.

Der Besuch der Delegation aus Brüssel und Berlin fand unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen statt. Sicherheitskräfte nahmen im Zentrum des Landes sechs mutmaßliche Islamisten fest, die einen Anschlag auf Staatsgäste geplant haben sollen.

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