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Melancholie und große Stimme: The Tiger Lillies Freakshow in Salzburg

Die britische Band eröffnete das Zirkusfestival "Winterfest" im Salzburger Volksgarten mit einer entzückenden, aber harmlosen Nummern-Revue.
Bilder der Tiger Lillies

Das Licht ist düster, der Nebel dicht. Eigenartige Figuren treiben sich herum im Vorstadtbahnhof und in schmutzigen Hinterzimmern. Siamesische Zwillinge zum Beispiel. Oder ein Riese mit sechs Armen, eine Frau mit drei Herzen und eine andere mit den längsten Haaren der Welt. Allesamt Spinner, Träumer und dunkle Gestalten. Die britische Band Tiger Lillies hat zu ihrer “Freakshow” geladen und damit das Salzburger Zirkusfestival “Winterfest” eröffnet. Gestern, Donnerstag, Abend war die Premiere dieser typisch britischen Zirkus-Revue, die vor allem durch ihre entzückende, melancholische Atmosphäre und durch eine herausragend gute Stimme zum Erfolg wurde.

Eigentlich sind die Tiger Lillies vor allem als Band bekannt. Als schräges Trio von der Insel, das mit simplen, erdigen Liedern, meist mit Bass, Schlagzeug und Harmonika, seine Fans in ganz Europa hat. Die witzig-ironischen Songs im Zwei- und Dreivierteltakt haben durch Komponist und Frontman Martyn Jacques eine Sonderstellung in der Liga niveauvoller Unterhaltungsmusik. Jacques grölt wie ein Berserker, Jacques treibt seinen Falsett in unglaublich zarte Höhen, Jacques verpackt die Traurigkeit aller schrägen Vögel dieser Welt in glasklaren Engelsgesang. Jacques ist ein Klassesänger und ein Spitzenclown, der – wie alle guten Clowns – nicht in den Wolken schwebt, sondern vom Bodensatz berichtet. Von dort, wo Träume zum Überleben gebraucht werden.

Durch diese augenzwinkernde Melancholie in Tönen tummeln sich die Bewohner eines Skurrilitäten-Kabinetts. Und man mag sie alle. Wie sie da sind mit ihren kurzen Beinen, überschüssigen Armen, gestorben an Messern im Herzen und an der Sehnsucht nach Liebe und Schmuck. Ja, man mag sie, auch wenn es im Hauptstück des Zirkusfestivals “Winterfest” 2010 gerade einmal drei Nummern gibt, die artistisch bemerkenswert sind. Schlangenfrau Albana Kukli, Hut-Jongleur Lorenzo Mastropietro und die Trapez-Zwillinge Ele und Julia Janke würden in jeder Zirkusshow ihren Platz finden. Aber dazwischen sind Ideen und pfiffiges Bühnen-Konzept leider Mangelware, die atmosphärisch herzerweichenden Szenen und liebevollen Details sind durchzogen von Wiederholungen und Stillständen, die ohne die tragende Musik der Tiger Lillies lähmend gewesen wären. Keine Frage, die Regie von Sebastiano Toma ist phasenweise harmlos, da wäre mehr drin gewesen.

Aber unter dem Strich bleibt ein außergewöhnlich sympathischer Eindruck einer versunkenen, vergessenen Welt, in der die Träumer und Verlierer die Könige sind. Vom gut beheizten Premierenplatz im Theaterzelt des Winterfestes aus ist das Gruseln wohlig und die Zustimmung groß.

In den insgesamt vier Zelten des “Winterfest“-Festivals werden neben der “Tiger Lillies Freakshow” noch “Devoris Causa” des Escartata Circus (Premiere: 26. November), “Pfffffff” von Cie Akoreaco (Premiere: 8. Dezember) und “La Piste La” vom Cirque Aital (Premiere: 27. Dezember) angeboten. Weiters gibt es ein Jugendstil-Zirkuszelt mit täglich wechselnden Programmen lokaler SalzburgerMusik-und Theatergruppen.

(Von Christoph Lindenbauer/APA)

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