Mehr "Dickes Fell": Eva Menasse eröffnete Dachstein Dialoge

Das Festival war im vergangenen Jahr von den Bürgermeistern der Dachsteingemeinden Filzmoos und Ramsau ins Leben gerufen worden, um zu dokumentieren, dass man das mächtige Bergmassiv trotz mancher früherer Auseinandersetzungen heute mehr verbindend als trennend erlebe. Der Historiker, Autor und Journalist Philipp Blom hat als künstlerischer Leiter das Programm der zweiten Auflage auf eine ganze Woche und über 30 Veranstaltungen in Filzmoos, Ramsau und Schladming ausgeweitet.
Die Macht von "Raum 2"
Eva Menasse befasste sich zunächst mit der Herkunft des Wortes Toleranz. "Erdulden, ertragen, aushalten heißt das lateinische Verb, von dem es stammt, und der Gesichtsausdruck, den man spontan dazu macht, ist ein gequälter." Gegenüber bestimmten Entwicklungen sei Intoleranz angebrachter als Toleranz, die zudem häufig mit einem möglichen Ablaufdatum versehen sei: "Toleriert zu werden heißt, dass ein kleines Noch darüber schwebt, ein Rauchzeichen, das vom Wind verweht werden kann. Vom Wind des Meinungsumschwungs, der den Meinenden nie so wehtut wie den Gemeinten."
In den Sozialen Medien werde jedenfalls kaum Toleranz geübt, und via Shitstorms schwappe dies von der digitalen in die reale Welt über. Der als virtueller Echo-, Kommentar- und Plauderraum entwickelte "Raum 2" habe eine unheimliche Mächtigkeit bekommen. Menasse machte dafür auch die professionellen Medien dafür verantwortlich. "Es läge meines Erachtens auch am Qualitätsjournalismus, sich viel härter abzugrenzen gegen das, was aus der digitalen Manege bisher so gern übernommen und einfach größer gemacht wird, anstatt mit Fakten, Einordnung und Besonnenheit dagegenzuhalten." Immer öfter werde von Veranstaltern vor einer möglichen Auseinandersetzung eingeknickt und abgesagt, als sich der Diskussion zu stellen und die Meinungsfreiheit zu schützen.
Ausladungen und Absagen
"Vollkommen irrwitzig sind Ausladungen und Absagen aber dann, wenn sie nur mit der Nationalität oder der vermuteten Gesinnung eines Künstlers begründet werden", erinnerte Eva Menasse u.a. an die Ausladung der Münchner Symphoniker in Belgien wegen ihres israelischen Dirigenten Lahav Shani und an die Überlegungen einiger Länder, den Eurovision Song Contest zu boykottieren, sollte Israel teilnehmen. "Dieser Logik folgend - wenn Künstler immer für ihre Länder verantwortlich wären - müsste man eigentlich auch türkische, iranische und chinesische Künstler ausladen, und solche aus Uganda, und was ist eigentlich inzwischen mit den USA?"
Statt einer Null-Toleranz-Politik, die einfach "ein neues Wort für den starken Mann und seine harte Hand" sei, müsse ein demokratisch-freiheitlicher Staat "Dickfelligkeit" zeigen, "eine Dickfelligkeit, die sich auf Selbstbewusstsein gründet", und bei der weiterhin Strafrecht und Verfassung die einzigen roten Linien darstellten. "Nennen wir Toleranz heute vielleicht einfach Dickes Fell und versuchen wir, darunter zusammen zu bleiben", so Eva Menasse.
Nach der Rede gab es in der Kirche einen Klavierabend des 1996 geborenen Pianisten Anton Gerzenberg, der seine 2024 mit dem Martha Argerich Steinway Preis gewürdigte Virtuosität mit Stücken von Chopin, Karol Szymanowski, Beethoven und Richard Wagner unter Beweis stellte. Die Dachstein Dialoge laufen bis 25. September.
(S E R V I C E - )
(APA)
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