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Massenpanik mit 19 Toten bei der Loveparade war absehbar

Der Weg zur Technoparty wurde zur tödlichen Falle. Mindestens 19 Menschen kamen bei einer Massenpanik in Duisburg ums Leben. Im Gedränge an einem Zugangstunnel zur Loveparade wurden sie erstickt, zerquetscht und totgetreten.
Aus für Loveparade
Die Suche nach den Schuldigen
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Trauer nach der Loveparade-Tragödie
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19 Tote bei Massenpanik
Schock und Trauer in Duisburg
Bilder von der Unfallstelle
Bilder von der Tragödie
Dr. Motte: Veranstalter sind schuld
Augenzeuge: "Da lagen schon einige am Boden"
Ausgelassene Stimmung vor der Massenpanik
Zahlreiche Tote bei Massenpanik
Stichwort Loveparade: Bekannteste Technoparty
Chronologie: Todesopfer bei Massenveranstaltungen
Video: Augenzeuge berichtet
Vorab-Warnungen in Internet-Foren
Treppenstürze als Auslöser
Ein Augenzeuge berichtet

Mehr als 340 Raver erlitten teils schwerste Verletzungen. “Dieses Unglück ist so entsetzlich, dass man es nicht in Worte fassen kann”, sagte Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland am Sonntag.

Organisatoren und Verantwortliche sahen sich bohrenden Fragen und harten Vorwürfen ausgesetzt. Antworten blieben sie schuldig. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung. Die Loveparade soll laut Veranstalter nie mehr stattfinden. Bereits vor der Technoparade hatte es Warnungen gegeben, dass das Gelände auf dem alten Güterbahnhof der Ruhrgebietsstadt wegen des komplizierten Zugangs über Tunnel und Rampen nicht massentauglich sei. Das Sicherheitskonzept für die Veranstaltung steht nun bei den Ermittlungen auf dem Prüfstand.

Die Toten seien Opfer “materieller Interessen eines Veranstalters, der unter dem Deckmäntelchen der ‘Kulturhauptstadt 2010′” Druck ausgeübt habe, sagte der stellvertretende Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Wolfgang Orscheschek. Duisburger Stadtpolitiker seien “in die Enge getrieben” worden, so dass sie trotz eindringlicher Warnungen aus dem Sicherheitsbereich nur “ja” sagen konnten. Polizei und Feuerwehr “haben im Vorfeld ihre Vorbehalte geäußert”, sagte Orscheschek.

Die Zahl der Teilnehmer konnten die Veranstalter auch am Tag danach nicht genau beziffern. Sie reicht von 105.000 Menschen, die mit der Bahn zum Feiern reisten, bis hin zu 1,4 Millionen Ravern, die sich in der Stadt aufgehalten haben sollen. Die abgeschlossene Partyzone sei für rund 300.000 Feiernde ausgelegt gewesen, sagte der Leiter des Krisenstabs, Wolfgang Rabe. Der Platz sei zum Zeitpunkt des Unglücks nicht vollständig gefüllt gewesen.

Unter den 19 Toten im Alter zwischen etwa 20 und 40 Jahren sind Männer und Frauen aus Deutschland, jeweils ein Opfer kam aus den Niederlanden, Italien, China und Australien. Bis Sonntagmittag waren erst 16 von ihnen identifiziert. Österreicher dürften nicht unter den Opfern sein. Bisher gebe es keine Hinweise darauf, auch habe es weder bei der österreichischen Botschaft in Berlin, noch beim Außenministerium Anrufe besorgter Angehöriger gegeben, sagte Außenamtssprecher Peter Launsky-Tieffenthal der APA. Ebenfalls keine Hinweise gab es bisher auf Österreicher unter den schwerer Verletzten der Tragödie.

Die Katastrophe löste im In- und Ausland eine Welle der Trauer und des Entsetzens aus. Führende deutsche Politiker, allen voran Bundespräsident Christian Wulff und Bundeskanzlerin Angela Merkel, drückten ihr Beileid aus und forderten rückhaltlose Aufklärung, ebenso EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso. Papst Benedikt XVI. gedachte der Opfer: “Ich gedenke in meinen Gebeten der jungen Menschen, die ihr Leben verloren haben”, sagte er in seiner Sommerresidenz Castel Gandolfo in der Nähe von Rom. Ihn erfülle “tiefe Trauer”.

Die Fragen drehten sich vor allem um das Sicherheitskonzept. Es gab am Samstag lange Zeit nur einen Ein- und Ausgang zum Festgelände, und der war nur durch zwei sehr lange Straßentunnel unter den Bahngleisen zu erreichen. Im Gedränge dieses Nadelöhrs stauten sich die Menschen im Tunnel und auf einer Rampe. Raver, die ungeduldig zur Party strebten, trafen auf Menschen, die schon müde waren und das Fest verlassen wollten. Viele kletterten auf Container oder Zäune, um der Enge zu entfliehen, einige stürzten nach Augenzeugenberichten hinunter in die Massen.

Die Loveparade soll es nach Angaben des Veranstalters Rainer Schaller nun nicht mehr geben. 1989 in Berlin unter dem Motto “Friede, Freude, Eierkuchen” gegründet, fand das fröhliche Techno-Event seit 2007 im Ruhrgebiet statt. Im vergangenen Jahr fiel sie aus: Die Stadt Bochum hatte die Ausrichtung unter anderem aus Sicherheitsgründen abgesagt.

Dr. Motte, der Erfinder der Loveparade, forderte Konsequenzen aus dem Unglück von Duisburg. “Das ist das Wenigste, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden und Buße tun”, sagte er. “Das wird auf jeden Fall ein Nachspiel haben.” Dass der jetzige Organisator, Rainer Schaller, das Ende der Technoparade verkündet hat, begrüßte er. “Es ist vielleicht besser so.”

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