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Mammuth

Berührend-skurriles Road-Movie: Gerard Depardieu als depressiver Rentner auf Motorradfahrt in die Vergangenheit. Bedrückender und zauberhafter Film von Delepine und Kervern - ab 1. Oktober in den Kinos.
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Er war der große “Cyrano von Bergerac” (1990) und gilt als einer der talentiertesten Charakterdarsteller Frankreichs. Doch in seinem neuen Film “Mammuth” sehen wir Gerard Depardieu wie nie zuvor: ungepflegt, mit wilder Zottelmähne, depressiv. Als frischgebackener Pensionist, überfordert von der modernen Gesellschaft und dem Leben an sich, unternimmt er auf seinem Motorrad, einer Münch-Mammut aus den 70ern, eine Reise in die Vergangenheit. Benoit Delepine und Gustave Kervern haben ein Road-Movie mit und für Depardieu geschaffen, das auf bedrückende und zugleich skurrile Art unter die Haut und ins Herz geht. Am Freitag (1. Oktober) startet “Mammuth” in den österreichischen Kinos.

“Ein Tag Rente und schon herrscht Anarchie.” Catherine Pilardosse (Yolande Moreau) ist genervt von ihrem Mann. “Mammuth” Serge weiß nämlich nichts mit sich anzufangen, jetzt wo er in Pension ist. Die vergangenen Jahre hatte er als Schlachter gearbeitet, seine Fleischerei-Kollegen verabschieden ihn Chips-essend und stumm nickend als “fleißigen, nie kranken, nie mürrischen” Kollegen und drücken ihm ein 2000-Teile-Puzzle in die Hand. Doch das will nicht so recht gelingen, ebenso wenig sein Ausflug in den Supermarkt, wo er verwirrt über eine Leiche stolpert, sich mit dem Wurstverkäufer anlegt und seinen Einkaufswagen zwischen zwei parkenden Autos rammt.

In der Pensionsversicherungsanstalt muss er dann erfahren, dass ihm Verdienstbescheinigungen ehemaliger Arbeitgeber fehlen. Darauf gräbt er sein altes Münch-Mammut-Motorrad aus den 70er Jahren aus, um seine früheren Arbeitsstätten – darunter einen Friedhof, einen Vergnügungspark und einen schäbigen Nachtclub – abzuklappern und die nötigen Papiere zu besorgen. Schnell muss er feststellen, dass er sein ganzes Leben lang ausgenützt wurde – “ganz einfach, weil du saublöd bist”, muss er sich sagen lassen.

Als gutmütiger Idiot wurde er nie ernst genommen, Mut spricht ihm nur sein “Schutzengel” zu, die in dunklen Momenten auftauchende Jugendliebe Yasmine (Isabelle Adjani), die er einst bei einem tragischen Unfall verloren hat. Weniger übernatürlich, aber doch skurril, gestaltet sich das Zusammentreffen mit seiner Nichte (Miss Ying), einer schrägen Künstlerin, die ihn so nimmt, wie er ist, und ihm einen Riesen aus Plüschtieren bastelt: “Dieser Elefant ist dein Herz.”

Wer sich bei “Mammuth” ein Feelgood-Roadmovie erwartet, liegt falsch. Und doch verlässt man den Kinosaal mit einem Lächeln: Die Reise ist das Ziel, die Verarbeitung dunkler Ereignisse der einzige Weg zum Erhalten der Würde und Lebensfreude. Unterstützt von einem simplen, bezaubernden Soundtrack von Gaetan Roussel ist “Mammuth” ein ruhiger Film mit langen, einfachen Einstellungen. Die Bildsprache ist bewusst reduziert, Szenen mit Yasmine wirken wie mit einer Handkamera gedreht, lassen den Zuseher nahe ran.

“In etwa so wie ein Mammut in einer Welt von Füchsen, das sich seinen Weg bahnt durch eine Mehrheit, die erheblich schlauer und vitaler ist als er”, lassen die Filmemacher Delepine und Kervern nach eigenen Angaben ihren Protagonisten leben und leiden. Depardieu wurde die Rolle auf den Leib geschrieben, er sagte zu, noch bevor ein Wort des Drehbuchs geschrieben war. Dem Magazin “Vogue” erzählte Depardieu, es sei die Rolle seiner Karriere, mit der er sich am meisten identifizieren konnte: “Motorrad, Vagabunden-Dasein, eine nette Frau – das macht mich aus.” Depardieu wurde als “Mammuth” teilweise mit Laienschauspielern konfrontiert, hatte viele Freiheiten am Set – und schafft es, einen glanzlosen Charakter glänzen zu lassen.