Mailänder Justiz vernimmt bosnischen Ex-Agenten zu "Sniper-Safaris"
Dabei geht es um Ausländer, darunter mehrere Italiener, die während der Belagerung Sarajevos von 1992 bis 1996 angeblich dafür bezahlt haben sollen, auf Zivilisten zu schießen, verlautete aus Mailänder Justizkreisen.
Mailand. Die Zeugenvernehmungen sollen in den kommenden Tagen beginnen. Die Ermittler prüfen zudem, ob der italienische Geheimdienst SISMI bereits damals von diesen "Sniper-Safaris" wusste und versucht hat, sie zu stoppen. Der frühere bosnische Agent hatte dem Schriftsteller Ezio Gavazzeni berichtet, die italienischen Dienste seien Anfang 1994 von bosnischen Stellen darüber informiert worden, dass die Schützen von Triest in das Kriegsgebiet reisten. Daraufhin seien diese Fahrten beendet worden.
Italienischer Schriftsteller erstattete Anzeige bei Mailänder Staatsanwaltschaft
Möglicherweise existierten Dokumente, die die Identitäten dieser sogenannten "Touristen-Schützen", beinhalten, berichtete der ehemalige bosnische Geheimdienstagent dem Schriftsteller Gavazzeni, der kürzlich eine Anzeige bei der Mailänder Staatsanwaltschaft erstattet hatte, die zur Einleitung einer Untersuchung wegen mehrfachen Mordes führte.
Die Zeugenaussagen und Dokumente, die nun geprüft werden müssen, stehen im Mittelpunkt der Ermittlungen des Mailänder Staatsanwalt Alessandro Gobbis. In den Militärarchiven von Sarajevo seien die Dokumente zu dem Fall als "Top Secret" eingestuft. Selbst die ehemalige Bürgermeisterin Sarajevos, Benjamina Karic, die bereit ist, vor der Mailänder Staatsanwaltschaft auszusagen, habe erfolglos versucht, über ein Gesuch Zugang zu den lokalen Justizunterlagen zu erhalten, berichtete Gavazzeni.
Wohlhabende Personen als "Scharfschützen-Touristen"
Laut der Anzeige handelte es sich bei den "Scharfschützen-Touristen" um wohlhabende Personen, teils mit rechten politischen Ansichten und Leidenschaft für Waffen. Die Reise sei als Jagdausflug getarnt gewesen, um die Teilnehmer unauffällig nach Belgrad und in den Einsatzraum zu bringen. Die Scharfschützen reisten mit einer "serbischen Fluggesellschaft" und wurden in Belgrad von Personen empfangen, die sie per Hubschrauber zum Einsatzort brachten. Dabei soll es sowohl legale als auch illegale Geldflüsse gegeben haben - Dokumentationen über diese Transaktionen dürften den italienischen Diensten vorliegen, berichtete Gavazzeni. Umgerechnet 80.000 bis 100.000 Euro soll so ein "Jagdausflug" gekostet haben, schätzen italienische Ermittler. Auf Kinder zu schießen, sei noch teurer gewesen.
Die Belagerung von Sarajevo ist eine der blutigsten Episoden des Krieges in Bosnien-Herzegowina, der zwischen 1992 und 1996 tobte. Er kostete rund 11.000 Menschen das Leben.
(APA)
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