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Madrid: Terrorzelle weitgehend identifiziert

Zehn Tage nach den Bombenanschlägen mit 202 Toten in Madrid kennt die spanische Polizei weitgehend die Zusammensetzung der Terrorzelle, die die Anschläge auf vier Pendlerzüge verübt hat.

Auch die Identität des Anführers sei bekannt, berichtete die Zeitung „El Pais“ am Sonntag unter Berufung auf Ermittlerkreise. Einzelheiten wurden nicht mitgeteilt.

Bisher wurden zehn Verdächtige festgenommen, sieben Marokkaner, zwei Inder und ein Spanier. Die Polizei fahndete noch nach vier weiteren Marokkanern. Sie sollen den Sprengstoff für die Anschläge in einem oder mehreren Bergwerken in Nordspanien gestohlen haben. Den Tipp erhielten sie wahrscheinlich von dem einzigen festgenommenen Spanier. Der wegen Drogenhandels und Waffenbesitzes vorbestrafte frühere Bergmann soll die Terroristen zu einem kaum bewachten Sprengstoffdepot bei Aviles in der Region Asturien geführt haben. Die Bomben des 11. März bestanden aus etwa 100 Kilogramm Plastiksprengstoff.

Im Verhör habe der Spanier angegeben, nichts von den Absichten der Marokkaner gewusst zu haben, hieß es. Diese hätten ihm erzählt, sie bräuchten den Sprengstoff für ein Bergwerk in Marokko. Als Gegenleistung für den Hinweis habe der Mann eine kleinere Menge Rauschgift erhalten. Er habe versprochen, mit der Polizei zu kooperieren.

Die Polizei suchte außerdem nach der Werkstatt, in der die Terroristen die Bomben präpariert hatten. Am Freitag war gegen einen der mutmaßlichen Terroristen, Jamal Zougam (30), gegen seinen Halbbruder Mohammed Chaoui (34) und einen dritten Marokkaner Haftbefehl erlassen worden. Ihnen werden Mord in 190 Fällen, 1400-facher versuchter Mord sowie Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zur Last gelegt.

Der festgenommene Spanier und vier aus Marokko stammende Verdächtige wurden am Wochenende weiterhin verhört. Unter ihnen sei der Besitzer eines Bekleidungsgeschäfts, dessen Bruder im Zusammenhang mit einer im November 2001 in Spanien zerschlagenen El- Kaida-Zelle in Haft sitze. Ein anderer Festgenommener sei von Beruf Chemiker, hieß es aus Ermittlerkreisen.

Beim spanischen Nachrichtendienst CNI herrschte nach Presseberichten Unmut darüber, dass die Regierung zwei Geheimberichte freigegeben hat, um den Vorwurf der Manipulation nach den Anschlägen zu entkräften. CNI-Direktor Jorge Dezcallar habe sein Amt zur Verfügung gestellt, schrieb die Zeitung „ABC“. Sein Rücktritt sei aber abgelehnt worden.

Der CNI fühle sich als Sündenbock politisch missbraucht und gegenüber anderen Geheimdiensten diskreditiert, hieß es. Innenminister Angel Acebes hatte am Donnerstag anhand zweier Geheimdossiers die Entscheidung der Regierung verteidigt, zunächst die baskische Untergrundorganisation ETA und nicht islamische Extremisten des Massakers zu bezichtigen.

Vor den Anschlägen sollen die spanischen Behörden Terrorwarnungen aus Marokko ignoriert haben. Das sagte ein ranghoher Regierungsbeamter am Freitag der Nachrichtenagentur AP in Rabat. Schon in marokkanischen Zeitungsberichten hatte es geheißen, die Sicherheitskräfte des nordafrikanischen Landes hätten Alarm geschlagen. Die spanischen Behörden hätten aber anscheinend nicht alle zur Verfügung stehenden Informationen genutzt.

Nach der Bombenserie wurden noch 160 Verletzte in Krankenhäusern behandelt. Vier von ihnen waren in kritischem Zustand, wie die Gesundheitsbehörden in Madrid am Samstag erklärten.

Der designierte spanische Ministerpräsident Jose Luis Rodriquez Zapatero versicherte, er werde am Antiterrorkampf festhalten. Der Sieg über den Terrorismus sei ein Hauptziel seiner Regierung, sagte Zapatero der „El Pais“ vom Sonntag. Der Terrorismus könne jedoch nicht mit Kriegen niedergerungen werden. Krieg bringe nur mehr Hass und mehr Fanatismus. Zapatero bekräftigte den geplanten Abzug der spanischen Truppen aus Irak. Dies gelte jedoch nur, wenn die Vereinten Nationen nicht bis 30. Juni die Kontrolle über die Besatzung übernähmen. Er rechne jedoch fest damit, dass dies geschehen werden.

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