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Madonna verzaubert Berlin

Singen ist Madonna nicht genug. Nach mehreren, eher zurückhaltend aufgenommenen Auftritten als Schauspielerin stand der 49-jährige Popstar erstmals hinter der Filmkamera. 

Als Ort für die Weltpremiere ihres ersten Spielfilms “Filth And Wisdom”, was übersetzt so viel wie “Schmutz und Weisheit” heißt, suchte sich die Sängerin die 58. Berlinale aus. Sie habe viel mit ihren Filmfiguren gemeinsam, die in einer skurrilen Wohngemeinschaft in London leben, nach dem Sinn des Lebens suchen und um ihren Unterhalt kämpfen, sagte Madonna. “Trotz meines materiellen Erfolgs in den vergangenen 25 Jahren fühle ich mich immer noch wie die Menschen im Film. Ich kämpfe immer noch darum, meinen Weg zu finden”, sagte der Star. “Ich kämpfe darum, nicht irre geführt zu werden durch Illusionen. Ich schwanke immer zwischen Licht und Schatten.” Eigentlich habe es nur ein Kurzfilm werden sollen, dann habe sie sich aber in die Filmfiguren verliebt, sagte Madonna bei einer Pressekonferenz. “Ich dachte, die Geschichte sollte länger als 20 Minuten dauern”, meinte sie. “Ich kann mich in allen Figuren wiedererkennen.” Regieführen bedeute für sie eigentlich gar keine Arbeit. “Ich liebe die Arbeit mit Schauspielern. Den Zauber, der entsteht, wenn man geschriebene Worte dann aus dem Munde von Schauspielern hört, fand ich ganz toll.” Die männliche Hauptrolle spielt der ukrainische Musiker und Schauspieler Eugene Hütz (“Alles ist erleuchtet”). Seine New Yorker “Gypsy Punk”-Band Gogol Bordello hat im wirklichen Leben Madonna bereits einmal bei einem Konzert in London begleitet. “Ich habe ihn aufgespürt wie ein Fan”, so Madonna. Nun spielt Hütz, ein hagerer, agiler Mann mit riesigem Schnauzbart, auch im Film ein bisschen sich selbst – einen ukrainischen Musiker namens A.K., der mit seiner Band ganz groß rauskommen will.

Bis es soweit ist, verdient er sein Geld mit der Erfüllung der absonderlichen Träume spießiger Engländer. Von verheirateten Männern lässt er sich für Rollenspiele anheuern, in denen er wahlweise die Reitgerte schwingt, den strengen Lehrer mimt oder in Frauenkleidern auftritt. Auch seine Mitbewohnerinnen Holly (Holly Weston) und Juliette (Vicky McClure) tun nicht das, wofür sie sich eigentlich berufen fühlen. Juliette arbeitet in der Drogerie eines sie anhimmelnden Inders, obwohl sie viel lieber als Entwicklungshelferin die Welt retten würde. Holly ist ausgebildete Ballerina, verdient ihr Geld aber als Tänzerin in einem Stripclub.

Viel mehr an Geschichte bietet der Film, für den Madonna zusammen mit Dan Cadan das Buch geschrieben hat, auch gar nicht. Hauptperson ist eindeutig A.K., der immer wieder frontal in die Kamera blickt und sich mit seinen vermeintlichen Lebensweisheiten direkt an den Zuschauer wendet. Einige Szenen sind komisch und direkt dem Alltag der Immigranten in London abgeschaut. Viel zu oft schaut Madonna ihren Figuren aber einfach nur beim mehr oder weniger aufregenden Leben zu, ohne dass sich die Charaktere irgendwie entwickeln.

Madonna selbst ist nicht vor der Kamera zu sehen, nur einmal ist einer ihrer Songs aus dem Album “Music” als Hintergrundmusik zu hören. Ärgerlich ist das ziemlich unglaubwürdige Happy End, in dem plötzlich Menschen zueinander finden, deren Liebe aus relativ unerfindlichen Gründen entbrannt zu sein scheint. Eine Chance auf den Goldenen Berlinale-Bären hat Madonna ohnehin nicht. Ihr Film läuft außer Konkurrenz in der Panorama-Reihe.

“Ich habe den Film in London gedreht, weil ich dort lebe und dort meine Kinder zur Schule gehen. Ich wollte nicht von ihnen getrennt sein, und ich liebe London”, sagte Madonna. Auch in Zukunft will sie im Film- und Musikgeschäft gleichermaßen mitmischen. “Ich freue mich darauf, weiter Musik zu machen und auch noch mehr Filme zu drehen. Ich habe gerade einen Dokumentarfilm in Malawi gedreht. Er wird auf dem Filmfestival in Cannes gezeigt werden.” Madonna hat einen Adoptivsohn aus Malawi.

Auch wenn “Filth And Wisdom” kein ganz großer Film ist – allein das persönliche Erscheinen der amerikanischen Pop-Diva ließ ihre Bewunderer vor Glück erschauern. Bei der abendlichen Weltpremiere im Zoo-Palast wurden ähnliche Szenen erwartet wie bereits am Nachmittag am Potsdamer Platz: Dort fanden längst nicht alle Journalisten Einlass in den völlig überfüllten Pressekonferenz-Saal – wer sich durchboxen konnte, der war durchgeschwitzt und voller blauer Flecken von den unsanften Rempeleien der Kollegen. Mit 35-minütiger Verspätung traf der Superstar dann zusammen mit den Darstellern des Films ein.

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