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Lukaschenko: Minsk hat mit Tod von Aktivist Schischow nichts zu tun

Präsident Lukaschenko weist alle Vorwürfe zurück.
Präsident Lukaschenko weist alle Vorwürfe zurück. ©AFP
Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hat eine Beteiligung von Minsk am Tod des Aktivisten Witali Schischow in der ukrainischen Hauptstadt Kiew dementiert.
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"Wer war er für Belarus oder für mich?... Er hat uns nichts bedeutet", sagte Lukaschenko bei einer Pressekonferenz am Montag in Minsk.

Opposition geht von Mord aus

Der im ukrainischen Exil lebende Schischow war Anfang August erhängt in einem Park in Kiew gefunden worden, nachdem er vom Joggen nicht heimgekehrt war. Die Oppositionsbewegung geht von einem Mord aus. Der 26-jährige Aktivist leitete die Organisation "Belarussisches Haus in der Ukraine", die Exil-Belarussen beim Ankommen in der Ukraine hilft.

Lukaschenko sprach auf einer groß angelegten Pressekonferenz in Minsk, die live übertragen wurde. Hintergrund des Auftritts ist der erste Jahrestag der umstrittenen Präsidentenwahl vom 9. August 2020 und des Beginns von Massenprotesten. Nach der Abstimmung vor einem Jahr hatte Lukaschenko sich nach mehr als 25 Jahren an der Macht zum sechsten Mal den Sieg zusprechen lassen. Die Demokratiebewegung hingegen sieht die heute im Exil lebende Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja als Siegerin an. Auch sie gibt am Montag eine Pressekonferenz.

Sprinterin "manipuliert"

Der Machthaber erwähnte auch die olympische Sprinterin Kristina Timanowskaja, die nach einem Konflikt mit Sportfunktionären in einer aufsehenerregenden Aktion von den Olympischen Spielen in Tokio aus über Wien ins polnische Exil ging. Die 24-jährige Athletin sei "manipuliert" worden, so der Staatschef, der auch Präsident des belarussischen Nationalen Olympischen Komitees (NOK) ist.

Die Europäische Union erkennt Lukaschenko seit der Wahl nicht mehr als Präsident von Belarus an. Der Machthaber drohte am Montag dem Westen im Fall neuer Sanktionen gegen die ehemalige Sowjetrepublik mit Gegenmaßnahmen. "Wir erpressen niemanden, wir bedrohen niemanden", sagte Lukaschenko am Montag. Dann fügte er hinzu: "Sie bringen uns in eine solche Situation, dass wir reagieren müssen. Und wir reagieren."

2.000 illegale Grenzübertritte

Lukaschenko, der bereits seit mehr als einem Vierteljahrhundert an der Macht ist, spielte dabei auf die illegalen Grenzübertritte aus Belarus in die EU an. Die EU wirft ihm vor, gezielt Migranten über die Grenze zur Europäischen Union nach Litauen passieren zu lassen. Litauen registrierte allein im Juli mehr als 2.000 illegale Grenzübertritte aus dem Nachbarland. Die Innenminister der EU kommen am 18. August wegen dieser Problematik zu einer Videokonferenz zusammen.

Zur Drohung der EU mit neuen Sanktionen sagte der autoritär regierende Staatschef: "Sie sollten einfach mal nachdenken, bevor sie gegen uns irgendwelche Maßnahmen verhängen." Es gebe keinen Grund, zu "Äxten und Heugabeln" zu greifen. "Das kann eine umgekehrte Wirkung haben." Wegen der Unterdrückung der Zivilgesellschaft und der demokratischen Opposition hat die EU mehrfach Sanktionen verhängt.

"Sicherheit der Menschen muss an erster Stelle stehen"

Im Vorfeld schloss die Opposition neue größere Aktionen gegen Lukaschenko aus. Der Preis dafür wäre zu hoch, sagte Tichanowskaja der Nachrichtenagentur dpa. "Jeder kann nicht für 15 Tage, sondern für Jahre ins Gefängnis kommen." Die Gesellschaft müsse aber weiter mobilisiert werden, ohne dass Massen auf die Straße gingen.

"Die Sicherheit der Menschen muss an erster Stelle stehen", sagte die Oppositionsführerin, die aus Angst vor Strafverfolgung jetzt im Exil im EU-Land Litauen lebt. "Es hat schon genug Opfer gegeben, zu viele zerstörte Leben." Auslöser der monatelangen Massenproteste war die weithin als gefälscht eingestufte Präsidentenwahl vor genau einem Jahr, bei der sich Lukaschenko mit 80,1 Prozent der Stimmen für eine sechste Amtszeit von Wahlkommission bestätigen ließ. Die Demonstrationen waren teils brutal niedergeschlagen worden.

Menschenrechtlern zufolge gibt es in Belarus aktuell mehr als 600 politische Gefangene. Die Proteste hätten nicht aufgehört, meinte Tichanowskaja. "Demonstrationen auf der Straße sind nur ein Teil der Protestbewegung."

Briefe für mehr als 600 politische Gefangene

Die 38-jährige Tichanowskaja rief ihre Landsleute aus ihrem Exil in der EU auf, den Widerstand gegen Lukaschenko nicht aufzugeben. Sie veröffentlichte in ihrem Kanal im Nachrichtendienst Telegram Protokolle mit den Auszählungsergebnissen der Abstimmung, die einen klaren Vorsprung vor Lukaschenko auswiesen. Die Menschen sollten diese Dokumente und Aufkleber ausdrucken und in ihren Städten verteilen, sagte sie. Zudem würden Karten und Briefe an die mehr als 600 politischen Gefangenen verschickt, um den Männern und Frauen Solidarität zu zeigen.

Lukaschenko hatte die monatelangen friedlichen Massenproteste nach der Wahl teils brutal niederschlagen lassen. Bei den Demonstrationen gab es mehrere Tote, Hunderte Verletzte und Tausende Festnahmen.

"Wirtschaftliche Beziehungen als Druckmittel einsetzen"

Der von Russland und auch persönlich von Präsident Wladimir Putin unterstützte Lukaschenko betont immer wieder, die Revolution in seinem Land erfolgreich niedergeschlagen zu haben. Die Staatsmedien feierten den Jahrestag als neuen Sieg der Unabhängigkeit. Lukaschenko behauptet, die Revolution sei vom Westen angezettelt worden.

Die österreichische Grüne Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic forderte ihrerseits in einer Aussendung eine stärkere Unterstützung der belarussischen Zivilgesellschaft durch Österreich: "Wir müssen in Österreich unsere wirtschaftlichen Beziehungen stärker als Druckmittel einsetzen, schauen, wie wir unsere historische Vermittlerrolle ausspielen können, und entsprechende Angebote aus Wien für Verhandlungen in Richtung Belarus aussenden" so die außenpolitische Sprecherin der Grünen am Montag in einer Aussendung.

(APA)

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