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Ölpreis-Rekord wegen Nahost-Krise

An den Rohstoffmärkten hat sich die Rekordjagd bei den Ölpreisen nach einer Eskalation der Lage im Nahen Osten fortgesetzt. Sorgen um Konjunktur werden laut.

In der Nacht zum Freitag sprang der Preis für ein Barrel (159 Liter) der US-Sorte WTI im asiatischen Handel zeitweise auf den Rekordwert von 78,40 US-Dollar (61,8 Euro). Erst im weiteren Handelsverlauf legten die Händler eine kleine Verschnaufpause ein und der WTI-Preis stand im späten Vormittagshandel bei 77,25 Dollar.

Beim Handelsauftakt an der Londoner Rohstoffbörse sprang der Preis für ein Barrel der Nordseesorte Brent am Vormittag über die Marke von 78 Dollar und markierte einen neuen Rekordwert bei 78,03 Dollar. Die Ölpreise haben damit die bisherigen Rekordmarken vom Donnerstag übertroffen.

Gleich mehrere Experten hielten angesichts der wachsenden geopolitischen Risiken einen Sprung über die Marke von 80 Dollar schon in naher Zukunft für nicht mehr ausgeschlossen. „Der Sprung über die Marke von 80 Dollar beim Ölpreis scheint unausweichlich”, sagte etwa Analyst Victor Shum von der Energieberatungsgesellschaft Purvin and Gertz.

Auch der Preis für Rohöl der Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) erreichte mit über 70 Dollar einen neuen Rekordstand. Wie das OPEC-Sekretariat am Freitag mitteilte, kostete ein Barrel aus den Fördergebieten des Kartells am Donnerstag 70,38 US-Dollar. Das waren 1,72 Dollar mehr als ein Tag zuvor. Die alte Rekordmarke vom vergangenen Freitag bei 68,77 Dollar wurde damit deutlich übertroffen. Der Korbpreis ist der Durchschnittspreis für elf wichtige Sorten des Kartells.

„Der Ölpreis ist zurzeit das größte Konjunkturrisiko”, sagt der Chefvolkswirt von Allianz Group und Dresdner Bank, Michael Heise. Die Bank ist mit 2,2 Prozent Wachstumsprognose für 2006 besonders optimistisch für die deutsche Wirtschaft. Nach Einschätzung Heises wäre ein starker Ölpreisanstieg in diesem Jahr gravierender als 2005 – als ein erstes Rekordhoch von 70 Dollar erreicht wurde – weil die Zinsen im Euro-Raum steigen und bis Jahresende über 3,0 Prozent steigen sollen. Damit werden Kredite für Verbraucher und Unternehmen teurer. ©©©Die Exportnation Deutschland brauchte sich bisher relativ wenig Sorgen um den Ölpreis zu machen. Denn die Petrodollars, die Deutschland zahlt, kommen als Exportaufträge aus den reichen Ölförderländern wieder zurück. ©Doch die Gesamtwirtschaft leidet unter der Verteuerung des lebenswichtigen Rohstoffs. Nach gängiger Schätzung dämpft ein um 10 Dollar höherer Ölpreis die Wirtschaft um 0,2 Prozentpunkte Wachstum im Jahr. Ausgebremst werden vor allem der private Konsum und damit der Einzelhandel sowie die Investitionen der Firmen. Teures Benzin und hohe Strom- und Gasrechnungen ziehen den Verbrauchern das Geld aus der Tasche. Die vom Öl angeheizte Inflation verteuert viele Produkte. Für die Unternehmen steigen die Energiekosten, so dass ihre Gewinne schrumpfen. ©©©„Bisher hat es weder beim Konsum noch bei den Investitionen einen Einbruch gegeben”, sagt der Chefvolkswirt der Bank of America, Holger Schmieding. „Die bessere Lage am Arbeitsmarkt hat die Kaufkraft gestärkt, und die Unternehmen profitieren von den geringen Lohnsteigerungen.” Der Einfluss des Ölpreises auf die Konjunktur ist schwächer geworden, weil er nicht mehr zu drastisch höheren Lohnabschlüssen wie noch in den 70er Jahren führt. Der Konsum soll auch wegen der Fußball-WM und der drohenden Mehrwertsteuererhöhung Anfang 2007 in diesem Jahr erstmals seit Jahren wieder deutlich wachsen. „Noch gibt es für die deutsche Wirtschaft keinen Grund zur Panik”, sagt Schmieding.

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