Wenn sich am nächsten Tag bei der Führung die Glastür vor der Schwester wie von selbst öffnet, ist das zwar kein Wunder, sondern nur ein Sensor – aber es weist schon darauf hin, dass die Sensoren der Heilsuchenden in Lourdes auf das Außergewöhnliche und Übernatürliche ausgerichtet sind. Unter den Hoffnungsvollen befindet sich auch Christine, eine junge Frau (Sylvie Testud) im Rollstuhl, die an Multipler Sklerose erkrankt ist. Die Skeptikerin steht bald im Mittelpunkt, weil ausgerechnet sie eines Tages von selbst aus dem Bett kommt und wieder gehen kann – was nicht nur Freude auslöst.
“Ein Wunder ist etwas Ambivalentes”, erzählt Hausner im Gespräch mit dem Stadtkino-Verleih. “Es ist schön für den, dem es passiert. Gleichzeitig drückt es aber die Ungerechtigkeit aus, da es sehr zufällig ist, und so schnell, wie es kommt, auch wieder verschwinden kann.” Hausner inszeniert ihren Film formal sehr konsequent, und nicht zuletzt durch die eindringliche Performance von Sylvie Testud entsteht eine dichte, immer wieder sehr witzige Erzählung, die sich nicht über das Geschehen vor Ort lustig macht oder es ausstellt, sondern es vielmehr dokumentiert.
Ein wenig Geduld muss man sicherlich auch mitbringen, schließlich orientiert sich “Lourdes” an den kirchlichen Ritualen vor Ort, die nicht unbedingt für ihren Spannungsreichtum berühmt sind. Dennoch wird das auf Französisch gedrehte “böse Märchen” (Hausner) nicht langweilig, sondern bietet vielmehr – quasi als Milieustudie – einen detaillierten Einblick in ein sehr eigenes Universum. In diesem finden neben Testud und Bruno Todeschini auch österreichische Schauspieler wie Linde Prelog, Heidi Baratta, Petra Morze oder Hubsi Kramar wie selbstverständlich ihren Platz.
Jessica Hausner, Tochter des bekannten Malers Rudolf Hausner (1914-1995), kennt sich eigentlich ja in Cannes besser aus. 1999 wurde “Inter-View”, ihr Abschlussfilm an der Filmakademie, in der Nachwuchsschiene “Cinefondation” gezeigt. 2001 war sie mit ihrem Spielfilmdebüt “Lovely Rita”, 2004 mit ihrem zweiten Kinospielfilm “Hotel” vertreten. Mit der österreichisch-deutsch-französischen Koproduktion “Lourdes” hat Hausner in Venedig nun einen weiteren großen Schritt nach vorne gemacht – und erinnert mit der gelungenen Schlusssequenz fast ein wenig an die vielgelobte “Berliner Schule”.
Der Trailer:
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