AA

London muss Grund für Brexit-Aufschub liefern

May arbeitet derzeit an einer Begründung für die Verschiebung
May arbeitet derzeit an einer Begründung für die Verschiebung ©APA (AFP)
Die britische Premierministerin Theresa May steht unter Druck, die beantragte Verlängerung der Frist zum EU-Austritt nun auch stichhaltig zu begründen. Am kommenden Mittwoch wollen die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsländer bei einem Sondergipfel in Brüssel über das britische Ersuchen entscheiden.

Die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Evelyne Gebhardt, lehnt einen weiteren Brexit-Aufschub ab, wenn Großbritannien nicht spätestens bis Freitag sagt, wie es konkret weitergehen soll. “Eigentlich wollen wir keinen Brexit, und wenn, dann auf keinen Fall einen harten Brexit. Aber wir können nicht akzeptieren, dass es eine unendliche Geschichte wird”, sagte die SPD-Politikerin der “Heilbronner Stimme” (Samstag).

Bisher ist der 12. April vorgesehen

Bisher ist vorgesehen, dass Großbritannien die EU am 12. April verlässt – also am kommenden Freitag. Um einen chaotischen Bruch mit unabsehbaren Folgen zu vermeiden, hat Premierministerin May in einem Schreiben an EU-Ratschef Donald Tusk um Aufschub bis zum 30. Juni gebeten. Tusk plädiert hingegen für eine flexible Verlängerung der Austrittsfrist um bis zu zwölf Monate. Dieser Vorschlag ist auch als “Flextension” oder “Flexi-Brexit” bekannt.

“Egal, ob es der Termin von May oder der von Tusk ist: Keines dieser Daten ist akzeptabel, wenn nicht bis zum 12. April klargemacht werden soll, wohin die Reise geht”, sagte Gebhardt. “Wenn das Parlament und die Regierung immer bei einem flauen ‘Jein’ bleiben, können wir keine Verlängerung machen. Das geht nur, wenn es eine klare Ansage gibt.” Sie sei “gerne bereit, bis zum Ende des Jahres zu warten, allerdings nur, wenn sichtbar ist, dass es eine Lösung gibt”, fügte sie hinzu.

Doch die lässt auf sich warten. Die britische Labour-Opposition zeigte sich enttäuscht vom bisherigen Verlauf der Gespräche mit der Regierung über einen Ausweg aus der Brexit-Sackgasse. “Wir wollen, dass die Gespräche weitergehen”, sagte Labour-Brexit-Experte Keir Starmer am Freitagabend in einem Interview der BBC. Dazu müsse die Regierung aber zu Kompromissen bereit sein – und bisher schlage sie keinerlei Veränderungen an dem Deal vor.

May wendet sich an Opposition

May hatte sich Anfang der Woche an die Opposition gewandt und Kompromisse bei ihrem inzwischen drei Mal vom Parlament abgelehnten Brexit-Deal angeboten. Doch eine Einigung scheint noch lange nicht in Sicht.

Der EU-Experte Nicolai von Ondarza geht trotzdem davon aus, dass sich die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Sondergipfel am kommenden Mittwoch auf einen langen Aufschub des Brexits einigen werden. “Die Situation in London ist so verfahren, dass eigentlich eine neue politische Situation hergestellt werden muss – über lange überparteiliche Gespräche, Neuwahlen oder ein zweites Referendum”, sagte der für die Stiftung Wissenschaft und Politik tätige Politikforscher am Freitag in einem tagesschau24-Interview.

Ondarza sagte, der jüngste Brexit-Aufschub um lediglich zwei Wochen auf den 12. April habe gezeigt, dass eine kurze Verlängerung nicht ausreiche. Deswegen habe Tusk eine Verlängerung um bis zu ein Jahr empfohlen. Damit wäre “ausreichend Zeit, um in London wieder eine Einigung und eine stabile Mehrheit hinzubekommen für einen geordneten Brexit, wie auch immer der aussehen mag”, sagte der Experte.

“Man spielt ein bisschen”

Er gehe davon aus, dass der EU-Gipfel eine gemeinsame Lösung finden kann. “Man spielt jetzt so ein bisschen “bad cop, good cop”.” Die Franzosen erhöhten den Druck auf die Briten. Er sei dennoch überzeugt, “dass am Ende eigentlich alle 27 ein Interesse daran haben, einen geordneten Brexit mit Großbritannien hinzubekommen”. Aber sie hätten auch ein Interesse daran, den Briten klar zu sagen, dass es eine Verlängerung nicht umsonst gebe: “Sie müssen an den Europawahlen teilnehmen und der EU sagen, was sie erreichen wollen.”

Der frühere EU-Parlamentschef Martin Schulz fände eine solche Beteiligung der Briten an der Wahl Ende Mai absurd. “Es ist ein Stück aus dem Tollhaus, wenn ein Land, das aus der EU austreten will, an der Europawahl teilnimmt. Das versteht niemand mehr”, sagte der ehemalige Parteichef und Kanzlerkandidat der SPD der “Bild”-Zeitung (Freitag). “Besser wäre es, Großbritannien würde seine Kraft darauf richten, ein neues Referendum über die EU-Mitgliedschaft abzuhalten.”

Der britische Finanzminister Philip Hammond zeigt sich unterdessen optimistisch für eine Verlängerung des Brexit-Austrittsdatums. Vor Beginn des EU-Finanzministerrats Samstag in Bukarest sagte Hammond, die Verhandlungen der Tories mit der Labour-Partei verliefen offen. “Wir haben keine roten Linien”, so Hammond.

Mehrere Alternativen

Der Minister glaubt, dass beim Sondergipfel der EU am Mittwoch trotz Skepsis einiger Länder eine Verlängerung erreicht werden kann. Angesprochen auf die Möglichkeit eines zweiten Referendums bekräftigte Hammon, es gebe mehrere Alternativen. Aber es wäre der richtige Weg. Man sollte “offen sein über Vorschläge, die gemacht wurden. Einige in der Labour-Partei haben das getan. Diskutieren wir das. Wir haben keine roten Linien. Wir gehen offen in die Gespräche mit Labour”.

Er sei überzeugt, “dass wir eine Vereinbarung erreichen können”. Ob dies nächste Woche der Fall sein könnte? – Hammond: “Das kommt darauf an, wie die Gespräche mit Labour verlaufen”. Der britische Finanzminister meinte gleichzeitig, er “verstehe, dass einige Kollegen es satt haben. Wir auch, wir sind nicht in der Lage gewesen, die Sache früher zu einem Ende zu bringen”.

(APA/dpa)

home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Politik
  • London muss Grund für Brexit-Aufschub liefern
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen