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Lisa-Maria Kellermayr: Zu Tode terrorisiert

Ein Kommentar von Melanie Renner
Ein Kommentar von Melanie Renner

Ein Kommentar von Melanie Renner

Dr. Lisa-Maria Kellermayr ist tot. Sie ist Corona zum Opfer gefallen. Die oberösterreichische Ärztin verstarb wohl am Freitag in ihrer Ordination. Dr. Kellermayr war nicht mit COVID-19 infiziert. Sie hat sich das Leben genommen. Über viele Monate hinweg wurde die Allgemeinmedizinerin von Impf- und Maßnahmen-Gegnern aufs Schlimmste beschimpft, belästigt und bedroht. Man werde sie entführen, foltern, umbringen. Was diese Menschen ankündigten, ist wahr geworden. Dr. Kellermayr ist durch ihre eigene Hand verstorben, doch diese Hand wurde geführt vom Hass, der Intoleranz und der pathologischen Wut Fremder.

Dr. Kellermayr hatte eine eigene Praxis, die sie im Juni erst vorübergehend, kurze Zeit später dann endgültig schloss. Sie konnte dem Druck, der Belastung, dem Stress einfach nicht mehr standhalten. Es war nicht zu viel, es war viel zu viel. Die 36-Jährige bekam Polizeischutz. Ein Ermittlungsverfahren gegen ihre - man kann es schwerlich anders sagen - Stalker läuft und wird, unabhängig von ihrem Tod, weitergeführt.

Sowohl die Polizei als auch die Politik, insbesondere Gesundheitsminister Johannes Rauch, sehen sich schweren Vorwürfen ausgesetzt. Man hätte sie nicht genügend geschützt. Man hätte mehr tun sollen. Man hätte sich mehr kümmern müssen. Die Befugnisse und das Versagen oder Nicht-Versagen des österreichischen Staats seien dahingestellt, aber: Weder die Exekutive noch die Regierung sind die Täter.

Ja. Man hätte mehr tun können. Ja. Man hätte besseren Schutz bieten können. Ja. Man hätte besonderes Augenmerk darauf legen müssen. Dies gilt für viele Fälle. Aber: Die schlussendliche Schuld ist nur an einer Adresse zu suchen, nämlich an jener der Menschen, die Lisa-Maria Kellermayr über Wochen und Monate hinweg regelrecht terrorisiert haben, nur weil ihre Ansichten nicht mit der Meinung der Ärztin konform waren.

Diversität ist gut. Unterschiedliche Meinungen und Diskurs beleben Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Wenn jedoch Grenzen der Persönlichkeitsrechte, Sicherheit und Gesundheit wissentlich, mutwillig und bösartig überschritten werden, läuft etwas grundlegend falsch. Staatlichen Organen dann die Schuld zuschieben zu wollen, ist einfach, löst aber das Problem nicht. Den die aus der Ecke der Maßnahmen- und Impf-Gegner vielfach propagierte Eigenverantwortung beanspruchen diese zwar für sich selbst, anderen wollen sie sie jedoch nicht zugestehen. Eigenverantwortung, Offenheit, Toleranz und und Menschlichkeit werden - durchaus auch beiderseits - nur für die eigenen Reihen akzeptiert. Miteinander? Zueinander? Geh, bitte. Gegeneinander ist das Gebot der Stunde. Lisa-Maria Kellermayr ist an diesem Gegeneinander zerbrochen. Wie viele braucht es noch?

(Melanie Renner)

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