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Linksfahren als gefährliche Provokation

Sie zerren am Nervenkostüm vieler geplagter Autolenker - die notorischen Linksfahrer. Jetzt warnt das Kuratorium für Verkehrssicherheit: Wer sich auf der Autobahn nicht an das Rechtsfahrgebot hält, bringt andere Verkehrsteilnehmer unnötig in Rage und verleitet zu gesetzwidrigen Aktionen.

Sie sind nicht zwangsläufig gefährlich, aber spontanen Aussagen zufolge „geht es extrem auf die Nerven“: Jene Autofahrer, die auf der Autobahn nicht auf den rechten Fahrstreifen wechseln, obwohl sie es müssten – auch „Linksfahrer“ genannt.

Eine Befragung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (500 Autofahrer online, 30 Tiefeninterviews) hat ergeben, dass Linksfahrer vom Großteil der Autofahrer zwar nicht als gefährlich empfunden werden, aber Kurzschlussreaktionen wie Dränglerei oder Rechtsüberholen provozieren. „Ganz abgesehen davon gibt es laut Straßenverkehrsordnung auf der Autobahn keine freie Fahrstreifenwahl, es gilt die Rechtsfahrordnung“, sagt Dipl. Ing. Klaus Robatsch, Leiter der Landesstelle Wien. „Wer überholt, muss sich danach also wieder rechts einordnen, sofern es das Verkehrsaufkommen zulässt und man den Hintermann nicht schneiden muss.“
Wie bei vielen Verkehrsdelikten wird auch das Linksfahren eher „den anderen“ zugeschrieben. 41 Prozent der Befragten beobachten das Phänomen des Spurpickens bei anderen sehr oft, weitere 29 Prozent erleben es eher häufig. Etwas weniger als die Hälfte der Befragten (47 %) gab an, (fast) nie trotz freier rechter Spur links zu fahren. Nur jeder Sechste ertappt sich „gelegentlich“ dabei.

Wer sind die „Schleicher“?
Rund drei Viertel der befragten Autofahrer ärgern sich sehr bzw. eher über Linksfahrer. Nach der persönlichen Einschätzung seien es eher Männer und eher ältere Menschen, die das Rechtsfahrgebot missachten. Für viele lag die Vermutung nahe, dass es sich dabei um unaufmerksame „Träumer“, unsichere und schlechte Fahrer oder sogenannte „Hutfahrer“ handle, die aus Gedankenlosigkeit, Unachtsamkeit, Unkenntnis des Rechtsfahrgebots oder aus Angst vor dem Spurwechsel die anderen Verkehrsteilnehmer behindern. In den Interviews zeigte sich, dass Linksfahren als provokant erlebt wird und daher angenommen wird, dass der Hintermann bewusst an seine Toleranzgrenzen gebracht werden soll. „Aus der psychologischen Perspektive fällt auf, dass bei dieser Problematik den Linksfahrern generell das geringere Talent im Straßenverkehr unterstellt wird“, sagt Robatsch. „Daraus entwickeln sich Überlegenheitsgefühle, Autoritätsansprüche und Dominanzverhalten. Als Konsequenz wird das ebenso verbotene Rechtsüberholen vor sich selbst gerechtfertigt und die Schuld dafür dem Linksfahrer zugewiesen.“ 

Wieviele Linksfahrer gibt es?
Messungen des KfV im Frühjahr 2006 an mehr als 46.400 Fahrzeugen auf Autobahnen in ganz Österreich haben ergeben, dass jeder fünfte Autolenker links fährt, obwohl er sich eigentlich rechts einordnen müsste. Je mehr Fahrspuren vorhanden sind, desto eher wird das Rechtsfahrgebot missachtet. Auf vierspurigen Autobahnabschnitten sind sogar 38 Prozent der Lenker auf der falschen Spur unterwegs. Beobachtet wurde auch, dass Linksfahren scheinbar mit der Verkehrsstärke zusammenhängt. Während auf zweispurigen Autobahnen mit einer Verkehrsbelastung von 500 bis 1.000 Fahrzeugen pro Stunde und Fahrtrichtung nur rund acht Prozent der Fahrzeuge den linken Streifen ungerechtfertigt benutzten, stieg dieser Prozentsatz bei einer Belastung von über 1.500 Kfz pro Stunde und Fahrtrichtung auf fast 21 Prozent an. Entweder sind die Fahrer der Meinung, dass ein Spurwechsel bei mehr Verkehr den Aufwand nicht lohnt, oder sie fürchten sich vor dem Einordnen. Dasselbe Phänomen zeigte sich auch auf dreispurigen Abschnitten: Bei einer Verkehrsbelastung von 500 bis 1.000 Kfz fuhren 22 Prozent grundlos links, bei einer Belastung von mehr als 1.500 Kfz waren es über 24 Prozent.

Was tun gegen Linksfahrer?
Mehr als drei Viertel der befragten Autofahrer hielten es für wichtig, dass mehr gegen das Linksfahren unternommen wird. Allerdings wurde hier nicht in erster Linie der Ruf nach mehr Kontrolle laut. „Vielmehr wünschen sich die Verkehrsteilnehmer Aufklärungskampagnen und Informations-Tafeln auf den Autobahnen“, zitiert Robatsch die Ergebnisse. Aber auch höhere Strafen wären aus Sicht der Autofahrer akzeptabel.

Derzeit gibt es für Linksfahren im leichtesten Fall ein Organmandat in Höhe zwischen sieben und 36 Euro, im schlimmsten Fall droht eine Anzeige, die eine Strafe bis zu 726 Euro nach sich ziehen kann.

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