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Letzter Akt im Benko-Prozess: Freispruch oder Schuldspruch?

Urteilsverkündung im Benko-Prozess noch heute.
Urteilsverkündung im Benko-Prozess noch heute. ©APA
Im zweiten Prozess gegen Signa-Gründer René Benko wegen des Verdachts der betrügerischen Krida am Innsbrucker Landesgericht wird es noch am Mittwoch ein Urteil geben.

Der Schöffensenat zog sich gegen 15.45 Uhr zur Urteilsberatung zurück. Benko und seiner Ehefrau wird vorgeworfen, im Rahmen der Insolvenz Benkos als Einzelunternehmer 370.000 Euro an Bargeld, Schmuck und Uhren in einem Tresor bei Verwandten und damit vor den Gläubigern versteckt zu haben.

Benko und seine Frau machten zu Beginn ihrer Einvernahmen vom Recht Gebrauch, nicht auszusagen. Er sei "nicht schuldig", erklärte der 48-Jährige nach den Plädoyers von Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) knapp, aber betont. Er verweise auf die schriftlich eingebrachte Gegenäußerung seiner Anwälte, die er mit diesen akribisch vorbereitet habe: "Ich erhebe sie hier zu meiner Aussage." Er sehe seine Frau heute das erste Mal nach seiner Inhaftierung im Jänner des heurigen Jahres, sagte der frühere Immobilien-Tycoon emotional mitgenommen. Aufgrund des Mediendrucks wolle er nicht mehr aussagen.

Der Angeklagte Rene Benko am Mittwoch vor Gericht in Innsbruck. ©APA

Auch Nathalie Benko, die der Beitragstäterschaft verdächtigt wird und die Anschaffung des Tresors organisiert haben soll, wollte sich angesichts des "enormen Drucks" bei der Verhandlung nicht weiter äußern und verwies wie ihr Mann auf eine schriftliche Stellungnahme. Die 42-Jährige bekannte sich ebenfalls "nicht schuldig".

WKStA: "Enger zeitlicher Zusammenhang"

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sah jedenfalls eine Schädigung der Gläubiger. Es habe ein "enger zeitlicher Zusammenhang" zwischen dem Aufstellen des Tresors im Haus von Onkel und Tante von Nathalie Benko im Tiroler Oberland am 11. März 2024 und dem Insolvenzantrag Benkos nur fünf Tage zuvor bestanden. Im Zuge der Erhebungen des Insolvenzverwalters sei indes aufgefallen, dass Uhren, für die es zwar Versicherungsdokumente gab, nicht im Vermögensverzeichnis von René Benko aufgeschienen waren. Ein ehemaliger Security-Mitarbeiter der Familie habe schließlich den Hinweis auf einen möglichen Tresor außerhalb der Villa - die der Oberstaatsanwalt bei seinem Eröffnungsplädoyer angesichts eines Tresorraums als "bestgesicherten Ort Österreichs" bezeichnete - gegeben. Bei einer Hausdurchsuchung seien die Ermittler im Keller, versteckt hinter Kartons, "tatsächlich fündig" geworden.

Nathalie Benko ©APA

Als "verblüffend" bezeichnete der öffentliche Ankläger in seinem Plädoyer indes René Benkos Verhalten nach seiner Festnahme, als er zu den anklagegegenständlichen Vermögenswerten befragt worden war. Zuerst habe er sich nicht dazu geäußert, mehrere Wochen später jedoch eine schriftliche Erklärung abgegeben. Demnach habe er vier Uhren seinen sechs- und elfjährigen Söhnen im Jahr 2021 zu Weihnachten geschenkt und sie sich danach noch "gelegentlich ausgeborgt". Bilder des Weihnachtsfestes würden jedoch "alterstypische" Geschenke an die Buben zeigen, eine betreffende Uhr habe Benko am 25. Dezember indes wieder selbst getragen. Weitere Uhren seien für die Versteigerung eines Charity-Events gedacht gewesen. Uhren sowie Manschettenknöpfe sollen einen Wert von 250.000 Euro gehabt haben. Die 120.000 Euro an Bargeld im Tresor soll sich Nathalie Benko - die sich selbst als "Fulltime-Mami" bezeichnet hatte und wie ihr Ehemann die Ausführungen des Staatsanwaltes mit Kopfschütteln quittierte - nach Angaben von Herrn Benko als Haushaltsgeld zusammengespart haben und gehöre daher ihr. Ob dies wirklich "glaubwürdig" sei, müsse nun das Gericht entscheiden, hegte die WKStA fundamentale Zweifel.

Nathalie Benko mit Anwalt Michael Hohenauer. ©APA

Wess: "Science-Fiction, Hokuspokus"

Benko-Verteidiger Norbert Wess ging indes in seinem Eröffnungsplädoyer mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hart ins Gericht und beantragte einen Freispruch. Die Vorwürfe seien falsch, in der Anklage gebe es keine objektiv belastende bzw. konkrete Beweisergebnisse. "Ab Seite zehn wird es überhaupt Science-Fiction." Und wiederholt meinte Wess emotional: "Das ist Hokuspokus." "Das ist ein Paradefall, wie man nicht anklagen soll und anklagen darf", gab der Verteidiger zudem zu Protokoll. Die Ermittlungsbehörde hätte eigentlich "ergebnisoffen alle Für und Wider abzuwägen", betonte der Wiener Anwalt. All das sei nicht beachtet worden.

Norbert Wess ©APA

Außerdem werde in der Anklage völlig das Jahr 2021 - als es zu den Geschenken gekommen sein soll - außer Acht gelassen - einem Jahr, in dem sich Benko beruflich und wirtschaftlich "auf dem Zenit befunden" habe. Zu dieser Zeit seien sämtliche Familienmitglieder mit Geschenken bedacht worden, es habe sich sehr wohl um "übliche Geschenke" gehandelt. Zudem hätten Onkel und Tante unter Wahrheitspflicht ausgesagt, dass ihre Nichte nur ihre Wertgegenstände "separieren" und bei ihnen wegen eines anstehenden Umzugs aufbewahren habe wollen. Ihr Mann sei hingegen in keinem Fall involviert gewesen, hätten die beiden ausgesagt. Somit und aufgrund vieler weiterer Tatsachen sei klar ersichtlich, dass es nie einen sogenannten "gemeinsamen Tatplan" gegeben habe.

"Vor Gericht sollte es um Wissen gehen"

Alle im Tresor befindlichen Wertgegenstände und das Bargeld René Benko zuzuordnen, sei einfach objektivierbar falsch. Teils bestehe die Anklage auch aus Aktenwidrigkeiten. In der Anklage gehe es großteils um Glauben, aber nicht um Wissen: "Vor Gericht sollte es aber um Wissen gehen."

So wie Benko etwa einen "Lebensring" an Mutter und Tochter verschenkt habe, habe er auch seinen Töchtern etwas zukommen lassen - als "angreifbare Erinnerung" an den Vater, wie es in der schriftlichen Gegenäußerung hieß, auf die Wess wiederholt verwies und die unter tatkräftiger Mithilfe Benkos entstanden sei. Von 16 hochpreisigen Uhren, von denen sehr wohl etliche an seinen Insolvenzverwalter gegangen seien, habe er zuvor im Jahr 2021 "in einem emotionalen Moment" einige ausgesucht und seinen Söhnen geschenkt. In dem ein oder anderen Fall habe er sich eine Uhr danach auch noch "selbst umgeschnallt". Auch solche Geschenke an einen Sechsjährigen oder einen Elfjährigen seien "in einem Familienverband" doch ganz normal. Man schenke eben quasi auf lange Sicht. Es bedeute doch nicht, dass man die Uhren sofort trage oder zu tragen habe.

Auch bezüglich des Bargeldes handle es sich keinesfalls um eine "Barreserve für den Notfall" oder einen "Notgroschen." Sondern vielmehr um Haushaltsgeld bzw. Erspartes, also um Gelder von Nathalie Benko, die großteils schon vor Jahren zur Seite gelegt worden waren.

©APA

Der Verteidiger von Frau Benko, Michael Hohenauer, bezeichnete die WKStA-Anklage indes als "mangelhaft und fehlerhaft". Das "Fundament" der Anklage - ein Gespräch zwischen den Eheleuten Benko, bei dem sie den "Tatplan" geschmiedet haben sollen - habe "niemals stattgefunden": "Es ist frei erfunden". Darüber hinaus habe Nathalie Benko den Tresor angeschafft, um "ihre wertvollsten Gegenstände", nämlich sieben Diamantringe im Wert von 5,5 Mio. Euro, im Zuge eines Umzuges in Sicherheit zu bringen. Die Ringe waren nicht anklagegegenständlich, befanden sich jedoch unter Verschluss bei der WKStA. Der Tiroler Anwalt kritisierte vehement, dass man ihr diese Ringe sowie weitere konfiszierte persönliche Gegenstände wie eine Festplatte mit Familienfotos nach wie vor nicht zurückgebe, obwohl sie "nachweislich" Nathalie Benko gehören.

Frau Benko sehe ihren Mann heute zum ersten Mal, es sei ihr auch "verboten" worden, miteinander zu telefonieren, sagte Hohenauer: "Jeder Schwerverbrecher telefoniert mit seiner Frau. Die beiden haben drei gemeinsame Kinder, da gibt es viel, was man zu besprechen hätte".

Onkel wusste angeblich nichts über Inhalt von Tresor

Nathalie Benkos Onkel, bei dem sie den Tresor aufstellen ließ, wurde als erster in den Zeugenstand gerufen. Seine Nichte habe damals lediglich gefragt, ob sie Wertgegenstände unterbringen könne. Da sich in dem Wohnhaus kein Safe befunden hatte, wurde ein Tresor angeschafft, den Nathalie Benko selbst absegnete. Nach dem Einbau war die "Sache erledigt". Der Tiroler habe nichts über den Inhalt gewusst, mit René Benko sei die Sache nie besprochen worden.

Insolvenzverwalter machte "null" Bargeld stutzig

Als nächster Zeuge war schließlich der Masseverwalter in Benkos persönlichem Konkursverfahren als Unternehmer, Andreas Grabenweger, geladen. Dieser schilderte, wie er kurz nach Benkos Insolvenzeröffnung in der Villa in Innsbruck-Igls gewesen sei. Er habe den Signa-Gründer aufgefordert, ihm zu zeigen, was ihm gehöre. Daraufhin habe ihn Benko zu einem Tresor geführt, in dem sich zwei Uhren befanden, dahinter Halterungen für weitere Uhren. Eine Uhr habe der Tiroler zudem am Handgelenk getragen, es seien auch Manschettenknöpfe und Schmuck vorhanden gewesen. Dies sei alles, was er an Wertgegenständen vorweisen könne, habe Benko mitgeteilt. Als vorhandenes Bargeld habe der Unternehmer indes "null" angegeben, was er so in seiner gesamten Laufbahn bisher noch nie erlebt habe, erklärte Grabenweger vor Gericht.

Da in den Medien auch immer von Benkos "toller Uhrensammlung" die Rede gewesen sei, hätten ihn dessen bisherige Angaben "stutzig" gemacht, so der Masseverwalter. Die Folge war eine Sachverhaltsdarstellung seinerseits nach einer Hausdurchsuchung. Konkret habe er zudem nach einer Luxusuhr der Marke "Patek Philippe" gesucht, die dann letztlich auch noch im Zuge einer Hausdurchsuchung aufgetaucht sei. Jedenfalls habe Benko dann noch "proaktiv" eine Ergänzung des Vermögensverzeichnisses möglich gemacht. Acht Uhren seien dabei von dem früheren Milliardär genannt worden.

Als Grabenweger laut eigenen Angaben Geschenke der vergangenen zehn Jahre an nahe Angehörige aufgelistet sehen wollte, habe Benkos Seite angegeben, man könne dies nur als Gesamtsumme darlegen - mangels Unterlagen und Dokumentationen. So seien etwa in den Jahren 2019 bis 2021 5,5 Millionen Euro an Schenkungen für Benkos Frau Nathalie zusammengekommen. Was Geschenke an die Kinder betraf, sei ebenfalls von "anlassbezogenen" die Rede gewesen, schilderte Grabenweger vor Richterin Heide Maria Paul. Für ihn sei die Sache damit erledigt gewesen, denn: "Ich wusste, wie alt die Kinder sind." Er sei quasi von kindergerechten Geschenken ausgegangen, im Falle von Hochpreisigem wie Luxusuhren wäre eine Auflistung nötig gewesen.

Wenig zur Wahrheitsfindung beitragen konnte indes Ex-Signa-Holding-Geschäftsführer Marcus Mühlberger. Er wurde zu den Versicherungsdokumenten befragt, nachdem er in der Laura Privatstiftung für "Versicherungen jeglicher Art" zuständig gewesen sei. Auch Schmuck- und Wertgegenstände der Familie Benko seien hier versichert worden.

Kontroverse Schlussplädoyers

Am Nachmittag fand dann noch eine mehr als einstündige Verlesung von Protokollen durch die Vorsitzende statt. Anschließend hielten Anklagebehörde und Verteidiger noch ihre Schlussplädoyers, die entlang der bisherigen Argumentationslinien verliefen. Die Oberstaatsanwältin plädierte für eine schuld- und tatangemessene Strafe und sprach von einer "außerordentlich guten, objektiven Beweislage" anhand von Chatprotokollen, Fotoaufnahmen, usw., die die Angeklagten dringend tatverdächtig machten. Benko habe die angeblich verschenkten Uhren und Manschettenknöpfe bis ins Jahr 2023 getragen, die großzügigen Schenkungen zu Weihnachten 2021 so nicht stattgefunden, wiederholte sie Vorhaltungen ihres Kollegen aus dem Eröffnungsplädoyer. Zudem verwies die öffentliche Anklägerin auf die - nicht rechtskräftige - Verurteilung Benkos wegen betrügerischer Krida aus dem Oktober.

Benko-Anwalt Wess und Kollege Hohenauer plädierten erneut auf Freispruch. Wess griff die Oberstaatsanwältin scharf an und ortete "Unrecht". Denn diese würde eine "Beweislastumkehr" vornehmen - in einem Rechtsstaat müsse ein Angeklagter nicht seine Unschuld beweisen, sondern die Gegenseite dessen Schuld: "Man muss sich nicht freibeweisen." Auch las Wess zwei eidesstattliche Erklärungen von Benkos Mutter und Schwester vor, in denen diese bestätigen, dass nicht nur sie selbst, sondern auch die Kinder des Unternehmers teure Uhren geschenkt bekommen hatten. Hohenauer geißelte "mangelnde Objektivität" der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft: "So eine Sache hätte nie angeklagt werden dürfen. Sie haben nullkommanull an Beweisen."

(APA)

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