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"Letzte Chance für ÖBB"

Schwarzach/VN - ÖBB-Holding-Chef Christian Kern spricht im VN-Interview über die Pläne der Bundesbahnen in Vorarlberg.

Wieso tun Sie sich diesen Job überhaupt an?

Kern: Es gibt zwei Kategorien von Managern. Die einen wollen einen Job, um des Jobs Willen, die anderen wollen einen Job, weil sie einen Plan haben. Wenn sie den ÖBB-Chefsessel anstreben, fällt die erste Variante aus, sonst müssten sie Masochist sein. Sie verzichten auf Einkommen, auf Komfort und sind permanent Gegenstand von politischen Attacken.

Die ÖBB-Altlasten und Managementfehler kreiden Sie unverblümt an. Ist Hubert Gorbachs Bahnreform 2003 mit der Aufsplittung der Auslöser für die heutige ÖBB-Misere gewesen?

Kern: Ja, davon bin ich überzeugt. Das war damals ein ideologisches und kein betriebswirtschaftliches Konzept. Wir haben nun neun Rechtsabteilungen, neun Marketingabteilungen, etc. Das macht alles überhaupt keinen Sinn. Kürzlich gings um eine Promotionaktion auf unseren Bahnsteigen, wir wollten Müsli-Riegel verteilen. Damit das möglich ist, saßen vier Juristen eine Woche zusammen und erstellten einen Vertrag zwischen unserer Personenverkehr- und der Infrastrukturtochter. Das kann doch nicht sein, dass wir so weiterarbeiten.

Wie viele Systemerhalter ­verlieren ihren Job?

Kern: Wir haben 1200 Führungskräfte, bis 2011 wirds mindestens hundert Führungskräfte weniger geben. Vor der Reform waren es 650. Die ÖBB ist mit Sicherheit ein schwerer Restrukturierungsfall. Wir wissen ja, dass es die Zeit der letzten Chance für uns ist. Man hat sich jahrelang in einem Luftschloss versteckt und die Probleme verdrängt.

Aber das ist nicht neu, wurde von Ihren Vorgängern auch gesagt: „Restrukturierungsfall, alles wird besser.“ Warum wirds bei Ihnen wirklich besser?

Kern: Ich hätte diesen Job nicht übernommen, wenn ich nicht überzeugt wäre, dass dieses Unternehmen sanierbar ist. Wir müssen auf uns selber schauen. Diese ganzen politischen Zwischenrufe bringen uns überhaupt nicht weiter.

Sie haben immer noch ständig Interventionen?

Kern: Ja, aber da hat sich halt ein Pinscher im Wadl verbissen und man geht weiter, was solls. Wir hatten eine total politisch verseuchte Kultur. Bei jeder Wurstsemmelbeschaffung hat man einen Bürgermeister oder einen Landtagsabgeordneten gefragt. Damit hören wir jetzt auf. Ich bin nicht bereit, mich auf politische Kompromisse einzulassen.

580 Millionen Euro sollten in Vorarlberg bis 2014 investiert werden. Gilt das auch unter Ihrer Führung?

Kern: Ja, das ist der aktuelle Stand. Das sind Investitionen vom Arlbergtunnel bis zu Bahnhöfen wie Hohenems, Rankweil oder Götzis – und eben auch Bregenz.

Wie sieht die Zukunft des ­Güterbahnhofs Wolfurt aus?

Kern: Wolfurt steht ganz oben auf unserer Investitionsliste, wir werden das Terminal ausbauen. Die Grundstückszukäufe sind weitestgehend geklärt, ich erwarte mir keine Probleme.

Bei der drohenden Enteignung der Alpbauern in Zürs für Kraftwerkswasser läufts weniger harmonisch.

Kern: Der Ausbau vom Spullerseekraftwerk ist ein gutes Projekt. Das Problem sind die Alpverbände – Sie sagen ,Bauern‘ und da wird sicher der eine oder andere Nebenerwerbsbauer darunter sein, aber es sind auch bedeutende Honoratoren, wie der Eigentümer des Hotels Zürserhof, Skardarasy, dabei. Da stehen natürlich auch andere Inte­ressen dahinter. Wir werden versuchen, die Alpverbände zu überzeugen und uns beim Dialog noch mehr anstrengen. Wir werden keine Drohungen aussprechen und keinen Konflikt heraufbeschwören.

Man hört, das Kraftwerk könnte ohnehin an die Illwerke abgetreten werden.

Kern: Das halte ich für ein Gerücht. Wir haben keinen Anlass dafür.

Vorarlberg gilt als Prototyp für die ÖBB, weil das Land sich massiv finanziell beteiligt.

Kern: Vorarlberg ist hier vorbildlich. Das Land hat dies enorm unterstützt. Dafür sind wir wirklich dankbar, denn die Fahrgastzuwächse sind beachtlich. Der Kunde muss das sein, was uns treibt. Und wir investieren weiter in die Infrastruktur hier in Vorarlberg.

Wenn das Land zahlt, zahlt auch der Steuerzahler.

Kern: Ja, korrekt. Unser Reformprogramm heißt Respekt, Reset und Resultate. Es geht ja nicht nur darum, dass wir jetzt weniger Beraterleistungen haben, dass wir den Herrn Hochegger aus dem Unternehmen haben, dass wir die Altlasten bereinigen – es geht um nichts anderes als unsere Glaubwürdigkeit.

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