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Lettlands Parlament für Austritt aus Frauenschutz-Abkommen

Lettlands Parlament in Riga
Lettlands Parlament in Riga ©APA/ANDREAS STANGL (Archiv/Themenbild)
Das Parlament in Lettland hat den Ausstieg aus der Istanbul-Konvention für den Schutz von Frauen gegen Gewalt beschlossen. Die Volksvertretung in Riga stimmte am Donnerstag nach mehrstündiger Diskussion für den Rückzug des baltischen EU- und NATO-Lands aus dem Übereinkommen des Europarats. Durch das Vertragswerk werde eine Ideologie gefördert, die traditionelle Familienwerte in Lettland untergrabe. Der Schritt muss noch von Staatspräsident Edgars Rinkevics gebilligt werden. 

Lettland hatte die 2011 ausgearbeitete Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt erst im vergangenen Jahr ratifiziert - sie trat dort am 1. Mai 2024 in Kraft. Der Ostseestaat wäre das erste EU-Land, das sich aus dem Vertrag zurückzieht.

Die Istanbul-Konvention stuft Gewalt gegen Frauen als Menschenrechtsverletzung ein. Zudem werden darin politische und rechtliche Maßnahmen definiert, mit denen die Unterzeichnerstaaten einen europaweit einheitlichen Rahmen für Prävention, Opferschutz und Strafverfolgung schaffen sollen. 

Auch eine Regierungspartei stimmt für Rückzug

Der Ausstieg wurde mit einem Gesetzentwurf verabschiedet, der von der Opposition ins Parlament eingebracht worden. Beschlossen wurde er mit Hilfe der Stimmen von einer der drei Koalitionsparteien der Mitte-Links-Regierung von Ministerpräsidentin Evika Silina. Ob dies Auswirkungen auf den Fortbestand der Regierung haben wird, blieb zunächst unklar. Die Ratifizierung des Übereinkommens war ein wichtiges Anliegen nach deren Amtsantritt im September 2023.

Frauenrechtsorganisation und Institutionen, die mit Gewaltopfern arbeiten, befürchten, dass die Aufkündigung des Übereinkommens den Schutz von Frauen und die Bemühungen um die Gleichstellung der Geschlechter schwächt.

Proteste in Riga

Am Mittwoch waren in Lettlands Hauptstadt Riga Tausende Menschen gegen den Ausstieg auf die Straße gegangen. Auf Transparenten und in Sprechchören forderten die Demonstranten den Verbleib Lettlands im Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Nach Angaben der Polizei handelte es sich um eine der größten Demonstrationen der vergangenen Jahre in Lettland - demnach hatte sie rund 5.000 Teilnehmer.

Das Außenministerium in Wien versicherte auf der Plattform Bluesky Österreichs "unerschütterliche Solidarität" mit allen, die Lettlands fortgesetztes Engagement Istanbul-Konvention unterstützen. Der Schutz von Frauen vor Gewalt sei von entscheidender Bedeutung für Demokratie, Menschenrechte und eine widerstandsfähige Gesellschaft.

Die SPÖ-EU-Abgeordnete Elisabeth Grossmann sprach von einem Rückschritt: "Frauen sind in ganz Europa täglich enormer Gewalt ausgesetzt. Dafür muss man sich nur die hohe Zahl an Femiziden hierzulande ansehen. Dass rechte Kräfte es schaffen, ein internationales Schutzinstrument als Bedrohung für 'traditionelle Werte' darzustellen, zeigt, wie tief sich ihr Weltbild bereits in den Köpfen festgesetzt hat. Europa darf hier nicht schweigen, sondern muss laut und entschlossen für die Rechte der Frauen in unserer Union eintreten", forderte Grossmann in einer Aussendung.

Die europa- und frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Meri Disoski, und die grüne Europaabgeordnete Lena Schilling zeigten sich entsetzt. "Es ist ein Alarmzeichen für die ganze EU", sagte Disoski laut Aussendung. Mithilfe einer rechten Desinformationskampagne sei es gelungen, ein internationales Schutzinstrument für Frauen als angebliche Bedrohung "traditioneller Werte" zu diskreditieren. "Russland kann feiern und wird seine Propaganda, auf der Basis der Auswertung dieses 'Erfolgs', in anderen EU-Staaten weiter forcieren."

(APA/dpa)

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