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Leichenfunde unter irakischem Wüstenstaub

Der sandige Staub auf dem Gelände des irakischen Geheimdienstes Muchabarat südlich von Bagdad birgt ein schreckliches Geheimnis, das nun lamgsam gelüftet wird.

Während des großen Sandsturms im Krieg sind zwei Busse vorbeigefahren, deren Passagiere verbundene Augen hatten“, sagt der junge Landwirt Tamir Abu Sadschat, der unweit der Zufahrtstraße zu dem ehemaligen Militärgelände bei der Ortschaft Salman Pak seine Hütten hat. Mehr als drei Stunden lang seien dann Schüsse aus dem umzäunten Gebiet zu hören gewesen, bis Nachmittags Kampfflugzeuge zu neuen Angriffen ansetzten. Das Militärgelände liegt direkt am Tigris und ist eng mit Büschen bewachsen.

Ermittler aus den USA und Großbritannien haben dort ein Massengrab gefunden, in das nach ersten Untersuchungen erst vor einigen Wochen Leichen verscharrt wurden. Zusammen mit irakischen Freiwilligen haben sich sich daran gemacht, Licht in die Vorgänge zu bringen. Bei Probegrabungen an einigen Stellen wurden Überreste mehrerer Toter gefunden. Viel mehr als Skelette und Kleidung ist wohl schon jetzt nicht mehr übrig, weil die Temperaturen im Irak von deutlich über 40 Grad eine schnelle Verwesung begünstigen.

Nach ersten Schätzungen könnten mehr als 100 Getötete an der Stelle verborgen sein. Es ist zugleich das erste Massengrab, das in der der Zeit direkt vor dem Sturz Saddam Husseins angelegt worden sein könnte. US-Experten haben die Vermutung geäußert, es könnten dort irakische Deserteure oder politische Gegner des Regimes ermordet und verscharrt worden sein. Die Hoffnung Verschwundene zu finden, treibt im Irak viele Menschen dazu, an vielen Stellen nach gesuchten Angehörigen zu graben. Und an immer mehr Stellen werden grausige Funde gemacht.

Viele Menschen in Salman Pak aber sind überzeugt, dass auf dem Gelände des Geheimdienstes Spione und Verräter hingerichtet wurden. Tatsächlich hat das irakische Regime bei einer Amnestie im Oktober letzten Jahres Häftlinge, die wegen Beschuldigungen der Spionage für die USA und Israel festgehalten wurden, ausgenommen. Tamir Abu Sadschat, ein junger, bärtiger Mann, der Teile einer Armeeuniform trägt, glaubt, dass unter dem Menschen in den Bussen Ausländer aus anderen arabischen Ländern waren. Sich selbst sieht er als Opfer des Regimes, das seiner Familie im Jahr 1974 Weiden und Ackerland für den Übungsplatz des Muchabarat weggenommen habe.

Doch im nahen Ort Salman Pak, benannt nach dem dort begrabenen Friseur und Berater des Propheten Mohammed, reagieren viele Menschen aggressiv auf Fragen nach dem Massengrab. Die jüngste Vergangenheit ist noch ungeklärt und viele Iraker wollen den US-Besatzern offensichtlich nicht die Rolle des Aufklärers über Verbrechen des Regimes zugestehen. „Das Massengrab ist eine alte Geschichte, was ist mit dem Strom“, zischt ein Mann in dem Ausflugsort. Und ein anderer schreit fast aus einem Auto heraus: „Kümmern Sie sich um die Lebenden, nicht um die Toten.“

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