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Lehre in Vorarlberg: "Unsicherheit bei den Jugendlichen ist groß"

Nach einer erfolgreichen Lehre stehen AbsolventInnen viele Karrierewege offen.
Nach einer erfolgreichen Lehre stehen AbsolventInnen viele Karrierewege offen. ©Stiplovsek
Schwarzach. Auf 231 Lehrstellensuchende kommen in Vorarlberg fast 1800 offene Stellen. W&W begibt sich mit Christoph Jenny, Leiter der Lehrlingsstelle der WKV, auf die Suche nach den Gründen dafür.

“Wirtschafts- und Arbeiterkammer schreiben regelmäßig die Vorarlberger Betriebe an, um aktuelle Zahlen zu den Lehrlingen zu erhalten”, erklärt Christoph Jenny. Den Informationen aus den Betrieben zufolge liegt die Zahl der beim AMS gemeldeten Jugendlichen, die eine Lehrstelle suchen, bei 231 (+26,2 Prozent im Jahresvergleich), die Anzahl der insgesamt (sofort verfügbar und erst später verfügbar) offen gemeldeten Lehrstellen bei 1786 (+6,9 Prozent). “Angefangen bei der Einstellung, über Grundfertigkeiten oder soziale Umfelder bis hin zu gesellschaftlichen Umgangsformen kann es verschiedenste Gründe haben, wieso Jugendliche keine Lehrstelle bekommen”, betont Jenny.

“Studium meist das Ziel”

Die Unsicherheit sei heutzutage sehr hoch: “Bei einer Lehre muss früh eine konkrete Entscheidung für einen Beruf getroffen werden. Damit tun sich viele in diesem Alter schwer. Hinzu kommt, dass den meisten Eltern die Stärke einer Lehre nicht bewusst ist. Viele glauben, mit einer guten Allgemeinbildung seien die Heranwachsenden für alles gewappnet. Ein Studium ist meist das Ziel, aber nur 50 Prozent machen dabei einen Abschluss”, so der Experte. “Gerade die Polytechnischen Schulen bieten die Möglichkeit, Verschiedenes auszuprobieren. Das gesellschaftliche Ansehen der Lehre muss besser werden, denn wenn man ihr Potenzial optimal nützt, stehen einem viele Türen offen”, ist er überzeugt.

Acht Zahlen zu den Vorarlberger Lehrlingen

1.786 Lehrstellen sind derzeit (Stand Ende April 2015) beim AMS Vorarlberg als offen gemeldet. Davon sind 166 Stellen sofort, 1620 Stellen in absehbarer Zeit (Herbst 2015) verfügbar. Das sind 6,9 Prozent mehr, als noch vor einem Jahr.

231 Lehrstellensuchende sind beim AMS gemeldet (Stand Ende April 2015). Davon sind 92 weiblich und 139 männlich. Im Jahresvergleich ist das ein Zuwachs von 26,2 Prozent.

254 Lehrstellen als Einzelhandelskauffrau/-mann sind in Vorarlberg auf absehbare Zeit als offen gemeldet. Dem gegenüber stehen 33 als lehrstellensuchend gemeldete Jugendliche.

38,8 Prozent der 15-Jährigen haben im Jahr 2014 eine Lehre begonnen. Einen ähnlich niedrigen Wert gab es im Jahr 2004. Vor zehn Jahren gab es allerdings rund zehn Prozent mehr Jugendliche im Alter von 15 Jahren.

7.542 Personen machen in Vorarlberg eine Lehre (Stand 2014). Davon sind 5021 Burschen und 2521 Mädchen. Bei insgesamt 111.000 unselbständig Beschäftigten im Ländle sind das rund 6,7 Prozent.

14.000 VorarlbergerInnen besuchen eine Berufsbildende oder Allgemeinbildende höhere Schule (BHS bzw. AHS).

2.085 Lehrlinge im ersten Lehrjahr gibt es derzeit in Vorarlberg. Im Vergleich zum Vorjahr sind das rund 7,9 Prozent weniger.

37,7 Prozent der Lehrlinge kommen aus der Polytechnischen Schule. 35,5 Prozent aus den neuen Mittelschulen, den Haupt- oder sonstigen Schulen; 26,8 Prozent aus der BMS, BHS und AHS.

“Zeugnisse werden immer schlechter”

Julia Eibl, Lehrlingsbeauftragte Mary Rose: “Bei uns ist derzeit eine Lehrstelle als Einzelhandelskauffrau/-mann offen. Wir bilden für unseren eigenen Betrieb aus und würden auch zwei Lehrlinge aufnehmen, wenn beide entsprechendes Potenzial haben. Leider werden die Zeugnisse seit einigen Jahren immer schlechter. Viele wissen nicht, was sie werden wollen, oder sind weder interessiert noch zuverlässig. Dann erscheint man z.B. unentschuldigt nicht zu Schnupperterminen, was ein klares Ausscheidungskriterium ist.”

“Bei vielen fehlen Grundkompetenzen”

Stefan Moosbrugger, Standortleiter Gastronomie Casino Bregenz: “Aufgrund der demografischen Entwicklung müssen wir bei der Suche nach Lehrlingen deutlich aktiver werden. Gute Lehrlinge zu finden, ist nicht einfach, da bei vielen Grundkompetenzen wie Rechnen oder Grammatik nicht vorhanden sind. Bei direktem Kundenkontakt im Restaurant ist das unerlässlich. Wir suchen momentan nach Auszubildenden als Koch/Köchin und Restaurantfachmann/-frau.”

“Eltern sehen Lehre leider als zweitklassig”

Peter Nussbaumer, Ausbildungsleiter Meusburger GmbH: “Durch den hohen Bekanntheitsgrad und das gute Einzugsgebiet unserer Lehrausbildung haben wir keine Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen. Die Qualität der Bewerber würde ich als gleichbleibend oder eher schlechter werdend einstufen. Vermittlung von sozialen Kompetenzen wird immer mehr die Aufgabe von Lehrlingsausbildern. Leider sehen viele Eltern die Lehre als zweitklassigen Ausbildungsweg, was sicher nicht der Fall ist.”

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