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Lehman - Analysten zur US-Bankenkrise

"Märkte reagieren panisch": Die US-Investmentbank Lehman Brothers hat nach mehreren gescheiterten Rettungsversuchen Gläubigerschutz beantragt.

Zugleich übernimmt die Bank of America die Investmentbank Merrill Lynch für 50 Mrd. Dollar (35,5 Mrd. Euro). Ein internationales Banken-Konsortium hat Maßnahmen zur Stabilisierung der Märkte angekündigt, auch die US-Notenbank Fed versucht, die nervösen Marktteilnehmer zu beruhigen.

Im Folgenden einige Analystenkommentare:

LUTZ KARPOWITZ, DEVISENSTRATEGE BEI DER COMMERZBANK:

“Was wir sehen ist eine zunehmende Risikoscheu, weil niemand wirklich weiß, ob es ein systematisches Problem im US-Finanzsystem gibt”.

MARIE-PIERRE PEILLON, LEITERIN DER AKTIEN- UND KREDITANALYSE BEI GROUPAMA ASSET MANAGEMENT, PARIS:

“Dies zeigt, dass die US-Regierung offenbar genug hat, nachdem sie bereits andere Finanzinstitute gerettet hatte. Sie betrachtet Lehman anscheinend als eine Privatangelegenheit. Ich denke, dass die Märkte heute und morgen panisch reagieren werden.”

BERNARD MCALINDEN, MARKTSTRATEGE BEI NCB STOCKBROKERS:

“Als Folge von Lehman sieht es so aus, als ob die Fed nicht weiter gehen kann. Sie kann offenbar nicht die Bankenbranche retten. Die Übernahme von Merrill Lynch durch Bank of America sieht wie eine gute Nachricht aus und balanciert den Markt derzeit aus.”

SEBASTIEN BARTHELEMI, ANALYST BEI LOUIS CAPITAL MARKETS IN PARIS:

“Lehmans Pleite ist eine schlechte Nachricht. Wir hatten auf eine Rettung der Bank gehofft. Aber wir gehen nicht davon aus, dass dadurch ein Domino-Effekt in der Branche ausgelöst werden könnte. Wir werden eventuell eine Zerschlagung der Bank sehen, was keine gute Nachricht für die Bond-Besitzer ist. Aber der Gläubigerschutz nach Chapter 11 bedeutet nicht das Ende von Lehmans Aktivitäten. Das dürfte die Auswirkungen auf andere Finanzinstitute begrenzen”.

MARCO ANNUZIATA, GLOBALER CHEFVOLKSWIRT BEI UNICREDIT, LONDON:

“Es gibt nun Spekulationen, dass die Fed die Zinsen in einer Krisensitzung senkt, um die Märkte vor dieser Belastung zu schützen. Wir denken aber, dass die Fed diesen Schritt zu vermeiden versucht. Das US-Finanzministerium hat entschieden, dass es Zeit für eine Schocktherapie ist. Es hat sich bei der Lehman-Pleite auf ein extrem mutiges Spiel eingelassen, obwohl eine Lösung über das Wochenende allgemein erwartet wurde. Das Finanzsystem steht nun vor einer noch nie dagewesenen Herausforderung, wenn es die Abwicklung eines großen Brokers verdauen muss. Wenn das funktioniert, sollten die Hoffnungen gestärkt werden, dass das globale Finanzsystem sich selbst aus der seit einem Jahr dauernden Kreditkrise befreien kann. Das Risiko ist allerdings enorm.”

STEFAN SCHILBE, HSBC-CHEFVOLKSWIRT:

“Über die Handelsverflechtungen werden wir Probleme bekommen, weil immer weniger deutsche und europäische Güter gekauft werden”, sagte Schilbe der “Westdeutsche Allgemeinen Zeitung” (Dienstag-Ausgabe). Außerdem kauften die Amerikaner weniger chinesische Güter, für die Investitionsgüter wiederum aus Deutschland geliefert würden. Hoffnung auf Entspannung in der US-Finanzkrise sieht er in der nächsten Zeit nicht. “Die Immobilienpreise werden weiter fallen, dadurch wird der Bedarf an Wertberichtigungen bei den Banken noch größer.” Eine ähnliche Entwicklung wie in den USA erkennt Schilbe in der deutschen Bankenlandschaft nicht. Konzentrationsprozesse hätten hier bereits stattgefunden. “In Deutschland geht es nicht darum, große Banken in der Krise zu retten”, sagte Schilbe.

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