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Leben im Corona-Feldversuch: So läuft der ESC-Alltag ab

In der Halle müssen alle Delegationsmitglieder einen Tracker tragen, um Menschenansammlungen zu verhindern.
In der Halle müssen alle Delegationsmitglieder einen Tracker tragen, um Menschenansammlungen zu verhindern. ©NPO/NOS/AVROTROS Nathan Reinds
Der österreichische Delegationschef und Eurovision-Kenner Stefan Zechner sprach im Interview über die Corona-Ausgabe des Song Contest und verriet, welche Vorgaben und Einschränkungen es in diesem Jahr gibt.
ESC als großes Corona-Experiment

Für Stefan Zechner ist heuer ein persönliches Jubiläumsjahr, steht er doch den jeweiligen österreichischen Song-Contest-Delegationen seit 2011 alljährlich vor. Und doch ist die 65. ESC-Ausgabe in Rotterdam angesichts der Coronaumstände etwas Besonderes.

"Eigenverantwortung fehlt teils": Auch Ärger über ESC-Teilnehmer

Der Eurovision-Kenner sprach vor dem österreichischen Halbfinale mit der APA über mangelnde Eigenverantwortung in Coronazeiten und das Leben im Feldversuch.

APA: Wie sehen die Coronamaßnahmen für die jeweiligen Länderdelegationen beim ESC konkret aus?

Stefan Zechner: Es gibt natürlich wie immer die grundsätzlichen Sicherheitsmaßnahmen, die an einen Flughafen erinnern. Aber darüber hinaus werden wir jeden zweiten Tag auf Covid getestet. Außerdem tragen wir in der Halle alle einen Tracker. Der ist zwar nicht nach Namen verfolgbar, aber damit soll kontrolliert werden, dass sich keine Menschenansammlungen in der Arena bilden.

Wie hoch würden Sie den Sicherheitsaufwand beschreiben?

Es ist letztlich kaum ein Unterschied zu einer ORF-Produktion unter Coronabedingungen zu bemerken. All die Sicherheits-, Test- und Maskenbestimmungen haben wir in Österreich ja bereits. Ich merke aber, dass das für Delegationen aus anderen Ländern teils noch ungewohnt ist, weil die weder die FFP2-Masken noch das beständige Testen kennen. Für die ist das alles wahnsinnig aufregend hier.

Und zusätzlich dürfen Sie als Länderdelegationen das Hotel eigentlich nicht verlassen?

Es ist etwas ungewohnt, dass man letztlich im Hotelzimmer bleiben muss und praktisch das Hotel nicht verlassen soll, wenn man nicht in der Halle auftritt. Bei zwei Wochen ist das jetzt aber auch nicht wahnsinnig dramatisch. PR-Termine, die man machen möchte, müsste man bei der EBU beantragen - deshalb machen wir die gar nicht. Natürlich ist vieles eingeschränkter im Vergleich zu den Vorjahren. Aber bevor wir nicht auftreten dürfen wegen eines positiven Tests, sitzen wir halt lieber im Hotelzimmer herum.

Das bedeutet, Sie leiden nicht unter den Einschränkungen?

Nein. Was mich mehr aufregt ist, dass es Delegationen gibt, die keine Masken tragen und etwa am Roten Teppich den Abstand nicht einhalten. Es fehlt teilweise die Eigenverantwortung. Der Veranstalter bemüht sich, alles möglich zu machen, aber manche halten sich einfach nicht an die Vorgaben. Das ist halt wie im echten Leben - da unterscheidet sich der Song Contest nicht.

Die Vorgaben werden demnach nicht wirklich von den Organisatoren kontrolliert?

Das ist dasselbe wie auch sonst in der Gesellschaft. Nicht alle Maßnahmen, die von der Regierung gesetzt werden, werden auch hart exekutiert. Man kann ja nicht jeder Delegation fünf Securitys zuweisen. Man kann nur an die Vernunft der Menschen appellieren. Und wie immer: Ein Großteil hält sich daran, und ein paar wenige sind halt deppert. Ich beneide hier niemanden um die Organisation, die, wie ich finde, aber toll funktioniert.

Finden Sie es gut, dass der ESC als erstes Großevent dieser Art in Coronazeiten durchgezogen wird?

Ich finde es prinzipiell gut, wenn man solch einen Feldversuch unternimmt. Natürlich wäre mir lieber gewesen, der hätte vorher stattgefunden, man hätte festgestellt, dass alles super funktioniert, und dann erst wären wir drangewesen. Teil einer medizinischen Studie zu sein, ist logischerweise nicht besonders angenehm. Aber Veranstaltungen ohne Publikum sind einfach nur das Halbe. Und wir hoffen schließlich auch alle, dass die Konzertbranche wieder in die Höhe kommt.

(Das Gespräch führte Martin Fichter-Wöß/APA)

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