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Lawinentod den Kampf ansagen

Gilt als wirksamer „Rettungsanker“ bei Lawinenabgängen: der „Lawinenairbag“ am Rücken von Skitourengehern.
Gilt als wirksamer „Rettungsanker“ bei Lawinenabgängen: der „Lawinenairbag“ am Rücken von Skitourengehern. ©Leitgeb
Bludenz - Lawinenunglück mit Prinz Friso entfacht Debatte über Gefahren im freien Skigelände.
Risikobereitschaft nimmt zu

„Freeriding“ boomt. Ganz generell suchen immer mehr Wintersportler auf Snowboards oder Skiern ein Abenteuer abseits markierter Pisten. Das freie und nicht als gesperrt ausgewiesene Gelände übt auf viele eine geradezu magische Anziehungskraft aus. Dass sich dabei Wintersportler lebensbedrohlich hohen Risiken aussetzen, ist allgemein bekannt. Dies hält jedoch nur wenige davon ab, bei hohen Lawinenwarnstufen tief­verschneite Hänge einzufahren. „Sowohl die Risikobereitschaft als auch die Respektlosigkeit vor der Natur nehmen bei Skisportbegeisterten zu“, meint beispielsweise Michael Manhart, langjähriger Chef der Skilifte Lech.

Nur Pulverschnee im Prospekt

„Ich bin mir nicht sicher, ob es sich dabei nur um Respektlosigkeit handelt. Oft ist dabei schlichtweg Dummheit im Spiel“, sagt Gebhard Barbisch, Chef der hiesigen Bergretter. Deren Einsätze hätten sich heuer „noch im Rahmen gehalten“. Als „einen Vorschlag für neue Grundregeln, der Sinn macht“ bezeichnet Barbisch den Vorstoß von Franz Lindenberg als Präsident des bundesweiten Bergrettungsdienstes. Aus Lindenbergs Sicht müssten nämlich Wintersportler „mit neuen und gemeinsamen Strategien von Touristikern und alpinen Fachleuten bei Training und medialer Kommunikation auf die Gefahren im Gebirge vorbereitet werden“. Barbisch („Auf Fotos in Hochglanzprospekten fahren alle im Tiefschnee und kaum auf der Piste“) hält wenig von massiven Strafandrohungen.

Strafgelder bis zu 730 Euro

„Die freie Natur soll weiterhin allen zur Verfügung stehen. Es geht vielmehr um neue Ideen, damit Unverbesserliche die Verantwortung für sich selbst besser wahrnehmen.“ In die ähnliche Kerbe schlägt Sicherheitslandesrat Erich Schwärzler. Schwärzler („Bei Lawinenwarnstufe 4 und 5 gehören Wintersportler in gesicherte Pistenbereiche“) fordert einerseits eine saftige Erhöhung von Strafen für jene, die durch Schutzwälder kurven („Laut Forstgesetz können wir bis zu 730 Euro Strafe verlangen“) und will andererseits im Frühling einen „umfassenden Sicherheitsgipfel“ mit Skischulen, Liftbetreibern und Alpin­organisationen initiieren.

Lawinen-Irrtümer

1. Wenig Schnee bedeutet nur geringe Lawinengefahr: Gerade in schneearmen und kalten Wintern bildet sich in der Schneedecke eine labile Schwimmschneeschicht.

2. Abfahrts- oder Aufstiegsspuren garantieren Lawinensicherheit: Es kommt nicht selten vor, dass die Lawine beim 7. oder beim 80. Skifahrer ausgelöst wird. Häufig ändern sich Wettereinflüsse und Temperatur. Dadurch kommt es zu Veränderungen in der Schneedecke.

3. Bei tiefen Temperaturen gibt es keine Lawinen: Dies gilt nur, wenn nach tageszeitlicher Aufweichung die Schneedecke nachts abgekühlt wird. Tiefe Temperaturen unterbinden die Verfestigung.

4. Wald schützt vor Lawinen: Dies gilt nur für dicht bestockten Fichtenwald. Bannwälder schützen Siedlungen vor Lawinen, aber nicht Skifahrer vor Schneebrettern.

5. In einem kurzen Hang kann nicht viel passieren: Kurze Hänge werden unterschätzt. Ein Schneebrett von 15 x 29 x 0,4 Meter kann bis zu 40 Tonnen schwer sein.

6. Neuschnee hat sich nach drei Tagen gesetzt und ist tragfähig: Die Verfestigung ist meist temperatur­abhängig. Der Vorgang beginnt oberflächlich, die Bindung zur Altschneedecke erfolgt langsamer.

7. Rauer Untergrund verankert die Schneedecke: Die vermehrte Haftung gilt nur für die bodennahe Schicht.

8. „Wumm“-Geräusche sind Setzungsgeräusche: Sie sind Ausdruck hoher Labilität in der Schneedecke. Während in der Ebene keine Gefahr droht, kommt es schon in wenig geneigten Hängen zu Schneebrettabgängen.

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