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Laut Kammer "krasse Unterversorgung" bei Schulärzten in Wien

Schulärzte sind in Wiener Pflichtschulen teilweise Mangelware
Schulärzte sind in Wiener Pflichtschulen teilweise Mangelware ©APA/ZB
In Wien gibt es laut Ärztekammer eine "krasse Unterversorgung" mit Schulärztinnen und Schulärzten, vor allem an Pflichtschulen (Volks-, Mittelschulen). Derzeit kommen demnach in der Bundeshauptstadt nur noch 141 Schulärzte auf 264.000 Kinder und Jugendliche. 130 Pflichtschulen mit über 35.000 Kindern müssten ohne regelmäßig anwesende Schulärzte auskommen. Wiens Ärztekammerpräsident Johannes Steinhart forderte am Mittwoch bei einer Pressekonferenz rasche Maßnahmen der Politik.

Schulärzte führen u.a. einmal pro Jahr eine Untersuchung der Schüler durch, sie beraten Direktion und Lehrpersonal in Gesundheitsfragen, schulen die Lehrerinnen und Lehrer in Erste-Hilfe-Maßnahmen oder im Umgang mit chronisch kranken Kindern und sind oft die ersten Ansprechpartner bei gesundheitlichen und immer öfter auch psychischen Problemen. Der Großteil sind Frauen, viele sind parallel in einer Ordination tätig. An Bundesschulen (AHS, BMHS) ist aktuell eine Schularzt-Wochenstunde pro 60 Schüler vorgesehen, in Wiener Pflichtschulen wären es bei Besetzung aller Stellen eine Stunde pro 100 Schüler.

Hohe Anforderungen, wenig Zeit

Zeitdruck und Anforderungen hätten für die Medizinerinnen und Mediziner in den vergangenen 30 Jahren an allen Schulen zugenommen, berichtete Margit Saßhofer, Leiterin des Schulärzte-Referats in der Wiener Ärztekammer. Das gelte auch für die anderen Bundesländer. Neben Themen wie problematischem Medienkonsum, Bewegungsmangel und Fehlernährung gebe es auch eine massive Zunahme psychischer Probleme, mittlerweile seien bereits immer mehr Schulanfänger psychisch und psychiatrisch auffällig. Unsicherheiten bezüglich der sexuellen Identität kämen ebenfalls deutlich öfter vor als früher.

Während an den Bundesschulen in Wien trotz Pensionierungswelle noch alle Schularztposten besetzt werden können, ist die Personalsituation in den Pflichtschulen laut Saßhofer "prekär". Das Impfen etwa, das an Wiens Pflichtschulen eigentlich zu den Aufgaben der Schulärzte gehört, muss deshalb heuer von externen Impfteams übernommen werden. Ein Grund für diese Engpässe ist die deutlich schlechtere Bezahlung im Pflichtschulbereich. Die Stadt Wien bemühe sich zwar um Lösungen, betonte Steinhart. Das werde aber wie so oft im Gesundheitssystem durch einen "Kompetenz-Wirrwarr" erschwert.

Zu wenige Schulpsychologinnen

Die School Nurses, die seit diesem Schuljahr an 27 Pflichtschulen im Einsatz sind, können die Situation für Saßhofer nicht entschärfen. Sie fordert stattdessen neben einer flächendeckenden Versorgung mit Schulärzten deutlich mehr Angebot an Schulpsychologie und Schulsozialarbeit, am besten an jedem Standort mehrmals pro Woche. Der massive Mangel an Schulpsychologinnen und -psychologen erhöhe direkt den Zeitdruck auf die Schulärzte. Diese könnten nicht an einem Vormittag drei Panikattacken versorgen und auch noch 1.200 Schüler untersuchen.

Zu Zeit- und Personalmangel komme das Problem, "dass wir arbeiten wie im vorletzten Jahrhundert", so Saßhofer. Offiziell gebe es immer noch kein digitales Dokumentationsprogramm, sodass Politik und Gesundheitsdienste derzeit aus den anonymisierten Daten zum Gesundheitszustand der Schüler derzeit keine Schlüsse ziehen können. Bildungs- und Gesundheitsministerium hätten sich zwar bereits auf ein entsprechendes Programm geeinigt, es fehle aber noch der Beschluss im Nationalrat.

Steinhart forderte außerdem einen einfacheren Zugang zu Impfungen für die Wiener Schüler, wenn möglich direkt an ihrem Standort. Gleichzeitig würden die Schulärzte gerne stärker bei der Förderung der Gesundheitskompetenzen zum Einsatz kommen, etwa in regelmäßigen Unterrichtseinheiten zu Themen wie Ernährung, Bewegung oder Suchtprävention. Damit würde man auch die Gesundheitskompetenz der gesamten Bevölkerung verbessern, indem die Schüler dieses Wissen auch nach Hause bringen, so Saßhofer.

(APA)

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