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Kuba gnadenlos gegen Regimekritiker

Es war im kommunistischen Kuba schon immer gefährlich, die Regierung öffentlich zu kritisieren. Doch momentan leiden Oppositionelle an noch härterer Repressionen.


Der Dichter und Journalist Raul Rivero (57) bekam dies am eigenen Leib zu spüren, als er 1995 die unabhängige Presseagentur Cuba Press gründete und damit begann, für ausländische Medien Artikel über die Lage im Lande zu verfassen. Etliche Male wurde Rivero seither festgenommen, aber jedes Mal nach einigen Tagen wieder freigelassen. An diesem Montag wurde Rivero zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt.

Rivero ist einer der vielen Dissidenten, die in dieser Woche in Kuba wegen Kontakten zu US-Diplomaten als „Vaterlandsverräter“ zu drakonischen Haftstrafen verurteilt wurden. Es ist die härteste Repressionswelle, an die sich heutige Oppositionelle erinnern können. Internationale Proteste konnten die Machthaber in Havanna in ihrem Vorgehen ebenso wenig bremsen wie die zu erwartenden wirtschaftlichen Nachteile: Ein Handelsabkommen mit der Europäischen Union, dessen Abschluss möglich schien, rückt wieder in weite Ferne, und in den USA werden die Stimmen derjenigen leiser, die eine Aufhebung des US- Embargos fordern. Sonnenhungrige Europäer werden es sich außerdem jetzt zwei Mal überlegen, ob sie noch in einem Land Urlaub machen wollen, in dem friedliche Regimekritiker eingesperrt werden.

Diplomaten in Havanna rätseln, warum das kommunistische Regime gerade den jetzigen Zeitpunkt wählte, um mit den Dissidentengruppen aufzuräumen. In den vergangenen Jahren genossen diese begrenzte Freiräume. Die Regierung nahm es zum Beispiel hin, dass sich die namhaftesten Dissidenten mit ausländischen Besuchern trafen, wie zuletzt Anfang März mit dem EU-Kommissar Poul Nielson. Der Christdemokrat Oswaldo Payà erhielt außerdem unerwartet eine Ausreisegenehmigung, um in Straßburg den „Sacharow-Preis für Gedankenfreiheit“ des Europäischen Parlaments anzunehmen.

Der US-Diplomat James Cason, seit sechs Monaten Leiter der Ständigen Vertretung der USA in Havanna, überschritt aber anscheinend die Grenzen dessen, was Staats- und Parteichef Fidel Castro hinzunehmen bereit war. Cason hatte mehr als jeder seiner Vorgänger den direkten Kontakt zu den Dissidenten gepflegt und sogar seine Residenz für Treffen zur Verfügung gestellt. Nach Auffassung der regierenden Kommunisten wurde Cason von US-Präsident George W. Bush eigens geschickt, um die Spannungen zwischen Washington und Havanna anzuheizen und sich dabei der Dissidenten als Marionetten zu bedienen. Parlamentspräsident Ricardo Alarcón verstieg sich zu der Behauptung, Ziel könnte es sein, einen Krieg anzuzetteln. Gefragt, ob er dies ernst meinte, verwies Alarcón auf Spruchbänder radikaler Exilkubaner in den USA, auf denen es hieß „Erst Irak, dann Kuba.“

Doch die kubanischen Dissidenten haben mit den radikalen Scharfmachern auf der anderen Seite der Florida-Straße nicht viel gemeinsam. Die meisten von ihnen plädieren für die Aufhebung des US- Handelsembargos und einen friedlichen Wandel. „Wir wollen nicht um jeden Preis regierungsfeindlich, sondern nur so objektiv wie möglich sein“, sagte der Journalist Rivero der dpa einmal über seine Arbeit. Um ihn zu verurteilen, griff die Justiz auf Zeugenaussagen von Spitzeln zurück. Wie sich herausstellte, war der „Journalist“ Manuel David Orrio, der am 14. März ein Treffen in Casons Residenz organisiert hatte, ein Agent der Geheimpolizei.

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