Oberarzt Dr. Otto Gehmacher von der Inneren Medizin am LKH Hohenems sieht chronische Schmerzen als eigenes Krankheitsbild. Sie werden aber von der Umgebung der Patienten oft nicht ernstgenommen, als Einbildung abgetan. Der Experte: Schmerz ist multidimensional. Er wirkt auf unser Gefühlsleben, hat auch eine emotionale Komponente.”
Gefühls-Färbung”
Die Schmerzverarbeitung im Gehirn läuft in verschiedenen Zentren ab, die auch für unser Empfinden zuständig sind. Der Schmerzimpuls kriegt eine Gefühls-Färbung,wird etwa mit Trauer, Angst, Verzweiflung assoziiert”, so Gehmacher. Sozialer Schmerz (wie Einsamkeit) aktiviert die gleichen Areale wie etwa Rückenschmerz. Der Oberarzt: Unser Gehirn kann nicht unterscheiden, ob der Schmerz im Fuß oder Bauch oder aber seelisch bedingt ist.” Auch lebensgeschichtliche Ereignisse – von Herzschmerz über Angststörungen, Melancholie, Verletzungen bis hin zu sexuellem Missbrauch im Kindesalter – können Einfluss auf das spätere Schmerzempfinden haben. Es gibt viele Facetten des Schmerzes, jeder erlebt ihn anders”, so Gehmacher. Dies ist für die Behandlung wichtig: Wurde früher zwischen psychischem und körperlichem Schmerz unterschieden, sieht man das Ganze inzwischen als bio-psycho-soziales” Gesamtphänomen: Es gibt bei Schmerzen immer körperliche Ursachen, aber auch immer seelische Komponenten.”
Viele Facetten
Beim akuten Schmerz sind seelische Komponenten im Hintergrund, beim chronischen genau umgekehrt. Das Schmerzgedächtnis bedeutet, dass der Körper Schmerzen speichert. Das beginnt im Mutterbauch, auch die frühe Kindheit bis zum sechsten Lebensjahr ist ganz entscheidend. Das Gehirn speichert Gewalt oder seelischen Schmerz in dieser Phase, solche Menschen haben im Erwachsenenalter sehr oft mit chronischem Schmerz zu tun”, so der Oberarzt. Anhand zweier Arthrosepatienten erklärte er, dass Schmerz auch viel davon abhängt, wie man damit umgeht. So ist es bei Rückenschmerzen wichtig, aktiv zu bleiben, und dann die Schmerzspirale langsam nach unten zu drehen.
Schmerzarten, Therapie
Oberärztin Ira Tschanun-Güfel von der Abteilung Anästhesie und Intensivbehandlung am LKH Feldkirch erklärte die Unterscheidung der Schmerzarten sowie den Weg zur Therapie. Fragebögen haben sich bewährt, um grundlegende Informationen zu erhalten. Im Erstgespräch mit dem Arzt geht es um die Krankheitsgeschichte, die aktuelle Erkrankung und Therapieversuche sowie die weitere Therapieplanung, ehe eine Diagnose gestellt werden kann. Da es keine Apparate gibt, die Schmerz messen können, ist die Beurteilung immer sehr subjektiv – die Ärzte behelfen sich mit verschiedenen Maßtabellen, auf denen die Patienten ihre Empfindungen darstellen können. Die Therapien beinhalten verschiedene Stufen – die Grundregeln: Regelmäßige Einnahme der Medikamente nach der Uhr, lieber Tabletten und Pflaster statt Spritzen. Tropfen wirken schnell, dafür nur kurzzeitig und müssen daher öfter eingenommen werden. Die persönliche Dosierung für jeden einzelnen Patienten ist ganz wichtig, auch die Nebenwirkungen der Medikamente müssen beachten und behandelt werden. Dr. Tschanun-Güfel erklärte die Methoden der apparativen Therapie ebenso wie die psychologische (muskuläre Entspannung, autogenes Training, Verhaltenstherapie, Bio-Feedback, Stressbewältigungstraining oder auch Hypnosebehandlung). Manuelle Methoden gibt es viele: Nicht jeder Schmerz spricht auf Wärme gut an, im Gegenteil – oft hilft es sehr gut, wenn man eine kalte Packung auflegt.” Tschanun-Güfel brach auch eine Lanze für alternative Therapien wie Akupunktur oder Neuraltherapie, betonte aber, diese zusätzlich und nicht nur einzusetzen.”
Ein Therapie-Team
Die Expertin betonte, dass ein gesamtes Team an der Therapie beteiligt sein sollte: Die Hausärzte als erste Anlaufstelle, dazu kommen Orthopäde, Rheumatologe, Internist, Physiotherapeuten, Mediziner, Anästhesisten und Neurochirurgen. Tschanun-Güfel abschließend: Schmerzfreiheit ist nicht immer möglich, das muss man klipp und klar sagen. Aber man kann die Schmerzen bis auf ein gewisses Maß herunterbekommen.”
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