Mit einem Pistolenschuss hatte der Mann, der den Zweiten Weltkrieg entfesselt und den Tod von Dutzenden Millionen Menschen verursacht hatte, im Alter von 56 Jahren auf einem Sofa sitzend seinem Leben ein Ende gesetzt. Neben ihm saß vergiftet Eva Braun, die er am Tag zuvor geheiratet hatte. Kurz nach dem Selbstmord wurden die Leichen ins Freie getragen und – wie von Hitler befohlen – in Brand gesteckt.
Hitlers “Fähnchenwelt”
Damit endete auch das Dritten Reich im Führerbunker, wo zuletzt eine äußerst unwirkliche Atmosphäre geherrscht hatte. Hitler lebte längst in seiner “Fähnchenwelt”, wie der Autor Joachim Fest in seinem 2002 erschienen Buch “Der Untergang” mit Blick auf die Fähnchen bestückten Landkarten diese Trugbilder beschreibt. Er glaubte, noch bedeutende militärische Kräfte mobilisieren und den Krieg gewinnen zu können. Seine hoch dekorierten Generäle wagten nicht, ihn über die aussichtslose Lage aufzuklären. Tatsächlich aber gab es seine Armeen nicht mehr.
Gespenstische Szenen im Führerbunker
Der nationalsozialistische Diktator verharrte in einem Bunker tief unter der Neuen Reichskanzlei. Hitler hatte Ende April 1945 den Entschluss gefasst, in der Reichshauptstadt zu bleiben, um dort die Verteidigung zu leiten. Es spielten sich laut Augenzeugen gespenstische Szenen ab. Hitler schritt auf und ab, brüllte Befehle und legte eine zerknüllte Straßenkarte auf den Tisch – eben mit jenen Fähnchen, die Ersatzstreitkräfte darstellen sollten. Außer ihm glaubte niemand, dass eine Kampfgruppe unter General Walther Wenck es schaffen würde, den Ring der Belagerer um Berlin zu durchbrechen.
Hitler streicht Himmler aus “politischem Testament”
Der Historiker Max Domarus beschrieb in seinem vierbändigen Werk “Hitler – Reden 1932 bis 1945” im Detail, was sich vor 70 Jahren abspielte. Hitler hatte am 29. April in seinem “politischen Testament” seine alten Weggefährten Hermann Göring und Heinrich Himmler wegen “geheimer Verhandlungen mit dem Feinde” als Verräter aus der NSDAP ausgestoßen. Hitler tobte. Ausgerechnet Himmler hatte ihn hintergangen. “Ein Verräter darf niemals mein Nachfolger sein.”
Goebbels’ und der sechsfache Kindermord
Zugleich ernannte er für den Fall seines Todes Großadmiral Karl Dönitz zum Reichspräsidenten und Obersten Befehlshaber der Wehrmacht und seinen Propagandachef Joseph Goebbels zum Reichskanzler. Goebbels entzog sich dieser Aufgabe, indem er am 1. Mai nach zwei vergeblichen Versuchen, einen Waffenstillstand mit den Russen zu erreichen, mit seiner Frau Magda Selbstmord beging. Zuvor ließen sie ihre sechs Kinder durch einen SS-Arzt ermorden.
“Ich selbst und meine Gattin […] wählen den Tod
Am 30. April verabschiedete sich Hitler von seinen Mitarbeitern im Bunker. Er und Eva Braun wollten sich mit Giftampullen umbringen. Um sicher zu sein, dass das Mittel den Tod schnell herbeiführt, ließ es der Diktator vorher an seiner Schäferhündin Blondi ausprobieren. Der Hund war auf der Stelle tot. “Ich selbst und meine Gattin wählen, um der Schande des Absetzens oder der Kapitulation zu entgehen, den Tod. Es ist unser Wille, sofort an der Stelle verbrannt zu werden, an der ich den größten Teil meiner täglichen Arbeit im Laufe eines zwölfjährigen Dienstes an meinem Volk geleistet habe.”
Hass statt Reue
Für die Nachwelt enthält das politische Testament nichts Neues. Hitler zeigt keinerlei Reue für die Millionen Toten seines Vernichtungskrieges. Der Schlusssatz des Dokumentes richtete sich gegen die verhassten Juden: “Ich verpflichte die Führung der Nation und die Gefolgschaft zur peinlichen Einhaltung der Rassengesetze und zum unbarmherzigen Widerstand gegen den Weltvergifter aller Völker, das internationale Judentum.”
Admiral Dönitz: Hitlers Nachfolger für 21 Tage
Zwei Stunden nach Hitlers Tod bei traf ein Funkspruch von NS-Reichsleiter Martin Bormann in Flensburg ein, in dem es, zitiert vom Historiker Percy Ernst Schramm, hieß: “Großadmiral Dönitz. Anstelle des bisherigen Reichsmarschalls Göring setzt der Führer Sie, Herr Großadmiral, als seinen Nachfolger ein. Schriftliche Vollmacht folgt. Ab sofort sollen Sie sämtliche Maßnahmen verfügen, die sich aus der gegenwärtigen Lage ergeben.” Da Bormann Hitlers Tod nicht erwähnt hatte, sandte Dönitz sofort einen Ergebenheits-Funkspruch an Hitler, zitiert bei Trevor-Roper: “Mein Führer. Meine Treue zu Ihnen wird unabdingbar sein. Ich werde daher weiter alle Versuche unternehmen, um Sie in Berlin zu entsetzen…”
Erst am Nachmittag des 1. Mai wurde Dönitz in Kenntnis gesetzt, dass Hitler bereits “verschieden” und er selbst folglich schon im Amt sei. Im Rundfunk ließ er dann um 22.26 Uhr – 31 Stunden nach Hitlers Tod – verkünden: “Aus dem Führerhauptquartier wird gemeldet, dass unser Führer Adolf Hitler heute nachmittag in seinem Befehlsstand in der Reichskanzlei, bis zum letzten Atemzug gegen den Bolschewismus kämpfend, für Deutschland gefallen ist.”
Grotesker Kontrast: NS-Proklamation abseits der Realität
Deutlich markiger las sich die Dönitz-Proklamation an die Wehrmacht, in der er den “weiteren bedingungslosen Einsatz” forderte: “Deutsche Wehrmacht, meine Kameraden! Der Führer ist gefallen. Getreu seiner großen Idee, die Völker Europas vor dem Bolschewismus zu bewahren, hat er sein Leben eingesetzt und den Heldentod gefunden. Mit ihm ist einer der größten Helden deutscher Geschichte dahingegangen.”
Amtsgericht erklärt Hitler erst 1956 für tot
Diese Sprüche eine Woche vor der bedingungslosen Kapitulation Nazi-Deutschlands standen in groteskem Kontrast zu dem Bild, das sich in Berlin bot. Dort waren mittlerweile die nur unvollständig verbrannten Leichen von Eva und Adolf Hitler mitsamt der Schäferhündin Blondi unter dem Kommando des SS-Brigadeführers Johann Rattenhuber in einem Bombenkrater auf dem Reichskanzlei-Gelände beigesetzt worden. Kurz nach der Eroberung des Hauptquartiers fanden russische Soldaten die Überreste, die später nach Russland gebracht wurden. Ernsthafte Zweifel an einer sicheren Identifizierung wurden nicht laut. Dennoch dauerte es bis 1956, ehe das Amtsgericht Berchtesgaden Hitler amtlich für tot erklärte.
Was aus der Führung Nazi-Deutschlands wurde
Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs vor 70 Jahren war auch das Schicksal der politischen Führer der Nazi-Diktatur entschieden. Viele wurden in den Nürnberger Prozessen als Kriegsverbrecher zum Tode oder zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, einige begingen Selbstmord.
ADOLF HITLER (1889-1945):
Der “Führer” erschoss sich am 30. April 1945 im Bunker unter der Berliner Reichskanzlei. Seine Leiche wurde verbrannt, die Reste von russischen Soldaten verscharrt.
MARTIN BORMANN (1900-1945):
Als Chef der Parteikanzlei und vor allem als Hitlers Sekretär gehörte er zu den “grauen Eminenzen”. Lange blieb unklar, was mit Bormann geschehen war. Hartnäckig hielten sich Spekulationen, der NS-Größe sei in den letzten Kriegstagen die Flucht gelungen. Erst im Jahr 1972 wurde bei Bauarbeiten in Berlin ein Skelett gefunden, das schließlich im Jahr 1998 durch DNA-Abgleiche eindeutig als die Überreste von Bormann identifiziert werden konnten. Er soll sich vergiftet haben.
KARL DÖNITZ (1891-1980):
Als Oberbefehlshaber der Kriegsmarine genoss er Hitlers Vertrauen und wurde nach dessen Tod Reichspräsident und “Führer”. Dönitz wurde in Nürnberg zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, er starb 1980.
ADOLF KARL EICHMANN (1906-1962):
Der SS-Obersturmbannführer und “Leiter des Judenreferates” im Reichssicherheitshauptamt gilt als Chef-Organisator des Holocausts. Er entkam nach Südamerika und wurde 1960 durch den Geheimdienst Mossad nach Israel entführt. In einem Prozess wurde Eichmann dort 1962 zum Tode verurteilt und gehenkt.
JOSEPH GOEBBELS (1897-1945):
Goebbels gehörte als “Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda” und von 1944 an als “Generalbevollmächtigter für den totalen Kriegseinsatz” zum engsten Kreis um Hitler. Goebbels und seine Frau begingen Ende April 1945 im Führerbunker mit Zyankali Selbstmord, nachdem sie ihre sechs Kinder vergiftet hatten.
HERMANN GÖRING (1893-1946):
Göring befehligte im Krieg die Luftwaffe und gehörte als Reichsmarschall zum engsten Kreis um Hitler. Göring versuchte zu fliehen, wurde aber von US-Soldaten festgenommen. In Nürnberg wurde er 1946 zum Tode verurteilt und verübte dann in seiner Zelle Selbstmord mit Zyankali.
RUDOLF HEß (1894-1987):
Heß wurde 1925 Hitlers Privatsekretär und schon 1933 “Stellvertreter des Führers”. Er wurde in Nürnberg zu lebenslanger Haft verurteilt. 1987 beging er im Gefängnis Selbstmord. Rechtsextremisten sehen ihn als Märtyrer.
HEINRICH HIMMLER (1900-1945):
Als “Reichsführer SS”, Chef der GeStaPo, Polizeichef und Innenminister kontrollierte Himmler alle Bereiche des totalitären Staates und beaufsichtigte die Konzentrationslager. 1945 misslang ihm die Flucht. Er beging in britischer Kriegsgefangenschaft Selbstmord.
ERNST KALTENBRUNNER (1903-1946):
Der SS-Führer in Österreich wurde später Chef des SS-Reichssicherheitshauptamtes. Er wurde als Kriegsverbrecher in Nürnberg zum Tode verurteilt und exekutiert.
JOACHIM VON RIBBENTROP (1893-1946):
Von Ribbentrop war ab 1938 Außenminister. In Nürnberg wurde er zum Tode verurteilt und 1946 gehenkt.
BALDUR VON SCHIRACH (1907-1974):
Der “Jugendführer des Deutschen Reiches” gilt als Verführer der Jugend im Nazi-Staat. 1940 ernannte Hitler ihn zum Gauleiter und Reichsstatthalter in Wien. Von Schirach wurde 1946 zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt, er starb 1974.
ARTHUR SEYSS-INQUART (1892-1946):
Der österreichische Politiker wurde nach dem so genannten Anschluss an das Deutsche Reich 1938 Reichsstatthalter der “Ostmark”, bis Hitler ihn 1940 zum Reichskommissar für die besetzen Niederlande berief. 1946 wurde er in Nürnberg zum Tode verurteilt.
ALBERT SPEER (1905-1981):
Der Architekt sollte die prunkvollen Riesenbauten für die NSDAP errichten; verwirklicht wurde kaum ein Projekt. Speer übernahm 1942 das Ministerium für Bewaffnung und Munition. Ende 1944 begann er sich den sinnlosen Zerstörungsbefehlen Hitlers zu widersetzen. Speer saß bis 1966 als Kriegsverbrecher im Gefängnis. 1981 starb er in London.
(APA/dpa/red)
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