AA

Krieg der (Des)Information

Putins Propaganda, die Klaviatur der manipulativen Meinungsbildung und pandemische Schwurbler als Experten für Geopolitik – ein Kommentar.

Nie zuvor war Kriegsberichterstattung so omnipräsent, wie im Falle des inzwischen drei Wochen andauernden Konflikts in der Ukraine. Egal ob klassische Medien wie Tageszeitungen und TV, Online-Portale, Twitter, Facebook oder jüngere Social-Media-Kanäle, insbesondere TikTok oder Instagram. Berichterstattung in Echtzeit, auf Webseiten können russische Truppenbewegungen live mitverfolgt werden bis hin zum Smartphone-Video, das die Einschläge der Raketen dokumentiert. Die Flugrouten der sanktionierten Oligarchenjets werden genauso abgebildet wie Videos von kleinen Mädchen, die mit rührenden Gesangseinlagen für Abwechslung in den Luftschutzbunkern der ukrainischen Hauptstadt sorgen.

Nie zuvor war der Medien-Konsument dermaßen im Visier der Propaganda, beide Seiten treffen in der Klaviatur der manipulativen Meinungsbildung die richtigen Töne. Während Putins Krieg in Russland nur seiner Erzählung eines Narrativs der Befreiung folgt, benutzt der ukrainische Präsident seine Kanäle zurecht zur perfekten Inszenierung des Kampfs für die Freiheit. Mit tatkräftiger Unterstützung der Klitschko-Brüder, die via Live-Schaltung mit der deutschen Bild aus dem zerbombten Kiew berichten. Und dem Unterschied, dass in Russland jede Gegenstimme brutal zum Schweigen gebracht wird, bei Putin zählt nur eine Sichtweise.

Nie zuvor war es wichtiger, jede Information bewusst zu hinterfragen und penibel auf die Auswahl seiner Quellen zu achten. Bei der Flut an Meldungen ist es selbst für Profis schwer, Herr über die Lage zu sein. Inzwischen hat man aber das Gefühl, dass sich die Expertise der breiten Internet-Community, vom „Hobby-Virologentum“ hin zur Einschätzung geopolitischer Zusammenhänge, gerade in Bezug auf den Konflikt, der rund 400 Kilometer von Wien entfernt tobt, verlagert.

Dieser Kommentar soll in keinster Weise die Gräueltaten des russischen Aggressors in irgendeiner Form rechtfertigen, im Gegenteil. Denn die Propaganda des ehemaligen KGB-Offiziers findet gerade in den einschlägigen Kanälen des hiesigen Corona-Widerstands fruchtbaren Boden. Befruchtet durch aberwitzige Theorien über in der Ukraine situierte Biowaffen-Labore der USA, Chemtrails, einer Entnazifizierung der russischen Brüder im Geiste und letztlich die des bösen Kriegstreibers NATO, der diese Auseinandersetzung letzten Endes heraufbeschwört, während im Hintergrund Soros und die Rothschilds die Fäden ziehen. Bis hin zum Konstrukt, der Saharastaub sei bewusst über Europa abgeworfenes Schwefeldioxid.

Bleibt nur zu hoffen, dass es sich bei der nächsten Verfärbung des Vorarlberger Himmels um ein weiteres Wetterphänomen und nicht um einen nuklearen Fallout handelt. Denn wenn sich der despotische Kreml-Chef entschließt, den roten Knopf zu drücken, dürfte auch dem letzten Sympathisanten eines russischen Großreichs klar werden, dass es um weit mehr geht als den Great Reset und eine globale Weltverschwörung, die seit dem Ausbruch der Pandemie unser aller Leben bestimmt.

Joachim Mangard, Chefreporter VOL.AT TV

home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Gastkommentar
  • Krieg der (Des)Information