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Kongo: Ausschreitungen vor Wahlen

In der Demokratischen Republik Kongo sind wenige Tage vor den ersten freien Wahlen seit Jahrzehnten bei Ausschreitungen zwei Polizisten ums Leben gekommen.

In der Hauptstadt Kinshasa war zuvor ein Gebäude in Flammen aufgegangen, in dem sich normalerweise Anhänger des Präsidentschaftskandidaten Jean-Pierre Bemba aufhalten. Dabei starb nach unbestätigten Berichten ein Kind. Aus Verärgerung über den Vorfall randalierten daraufhin Unterstützer des früheren Rebellenführers: Sie zündeten Gebäude an und plünderten eine Kirche.

Auch Polizisten wurden angegriffen und nach UN-Angaben kamen zwei von ihnen ums Leben. Am Abend patrouillierten Sonderkräfte der Polizei in den Straßen. In der Ruine des abgefackelten Gebäudes der Bemba-Anhänger war Augenzeugen zufolge die Leiche eines Kindes zu sehen. Die Urschache für das Feuer war unklar.

Die Bemba-Anhänger beschuldigten französische Kampfflieger, die Gebäude bombardiert zu haben. Ein Sprecher der EU-Truppen wies den Vorwurf zurück. Zuvor war bereits ein Konvoi der EU-Truppe (EUFOR) im Kongo in Menschenmenge hineingeraten, die auf Bembas Ankunft wartete. Randalierende Bemba-Anhänger griffen die Autos der deutschen und französischen Soldaten mit Steinen und Holzlatten an. Drei Franzosen wurden leicht verletzt, zwei Autoscheiben zertrümmert.

Bemba ist einer von insgesamt 32 Präsidentschaftskandidaten, die am Sonntag antreten. Erstmals seit rund 40 Jahren wird dann nicht nur das Staatsoberhaupt frei gewählt, sondern auch das Parlament. Die Abstimmung wird von den UN überwacht, für die der Einsatz der größte und komplexeste dieser Art in ihrer Geschichte ist. Insgesamt 17.000 Friedenssoldaten sind in die Region entsandt. Die Europäer schickten zusätzlich 2000 Streitkräfte, knapp 800 davon kommen aus Deutschland. Die Wahlen sollen einen Schlussstrich ziehen unter den jahrelangen Bürgerkrieg in dem zentralafrikanischen Land.

Unterdessen hat eine Rebellengruppe im Osten des Landes sich in einem Abkommen mit der UN-Mission verpflichtet, die Waffen niederzulegen und die Wahl am Sonntag nicht zu stören. Den Mitgliedern der MRC-Miliz (Revolutionäre Bewegung im Kongo) wurde im Gegenzug Straffreiheit zugesichert.

Hoffnung auf friedliche Wahlen

Die Erwartungen der internationalen Gemeinschaft sind groß, wenn am Sonntag im 46. Jahr der Unabhängigkeit in der Demokratischen Republik Kongo freie Präsidenten- und Parlamentswahlen stattfinden sollen. Der afrikanische Staat ist so groß wie Westeuropa und besonders im Osten ist die Sicherheitslage äußerst gespannt. Eine 2000 Mann starke EU-Truppe, mehr als 16.000 UNO-Soldaten, 1500 Wahlbeobachter, 40.000 inländische Beobachter sowie 80.000 kongolesische Polizisten sollen die Wahlen schützen, deren endgültige Ergebnisse erst im September vorliegen dürften.

Insgesamt 25,6 Millionen Kongolesen sind wahlberechtigt. 33 Bewerber buhlen um das Amt des Präsidenten und fast 10.000 Kandidaten von über 200 Parteien bewerben sich um eines der 500 Parlamentsmandate. Ein Datum für den zweiten Wahlgang steht noch nicht fest. Er muss „innerhalb von Wochen“ nach er ersten Runde durchgeführt werden.

Die 1960 unabhängig gewordene frühere belgische Kolonie hat eine bewegte Geschichte. Der erste Ministerpräsident, Patrice Lumumba, wurde 1961 gestürzt und ermordet. 1965 putschte sich General Joseph-Désiré Mobutu mit Unterstützung der USA und Belgiens an die Macht und errichtete eine der grausamsten Diktaturen Afrikas. 32 Jahre dauerte seine Herrschaft, bis der Vater des heutigen Präsidenten Joseph Kabila, der frühere marxistische Rebellenführer Laurent-Désiré Kabila, Mobutu vertrieb. Nach einem fünfjährigen Bürgerkrieg mit Millionen Toten befindet sich das Land seit Juni 2003 in einem politischen Übergangsprozess. Im vergangenen Dezember wurde in einem Referendum eine neue Verfassung angenommen.

Großer Favorit für das Präsidentenamt ist jetzt auch Kabila. Er machte in der Vergangenheit Versuche, die zerrüttete Nation zu befrieden. Im Wege steht ihm der fast vollständige Zerfall von Infrastruktur, Verwaltung und Wirtschaft. Besonders kritisch ist die Lage im rohstoffreichen Osten des Landes; dort ist die Zentralregierung in Kinshasa machtlos. Gegen ihn treten seine beiden Vizepräsidenten an, die früheren Rebellenchefs Jean-Pierre Bemba („Bewegung für die Befreiung Kongos“) und Azarias Ruberwa („Kongolesische Versammlung für Demokratie“). Die von Etienne Tshisekedi geführte größte Oppositionspartei „Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt“ (UDPS) boykottiert die Wahl. Hohes Ansehen genießt der 80-jährige Antoine Gizenga, ein ehemaliger Mitstreiter von Patrice Lumumba.

Einige Präsidentschaftskandidaten entstammen dem Lager des ehemaligen Diktators Mobutu, darunter dessen Sohn Nzanga Mobutu. Viele Kongolesen bevorzugen den unabhängigen Kandidaten Oscar Kashala, der nach ihrer Meinung weniger korrupt als die meisten Mitbewerber ist.

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