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Konflikt um Karikaturen spitzt sich zu

Der Konflikt um Zeitungskarikaturen des islamischen Religionsstifters Mohammed in Europa hat sich am Freitag weiter zugespitzt. Pressestimmen

Hunderttausende demonstrierten im Iran und in anderen muslimischen Ländern nach dem Freitagsgebet gegen die dänischen Zeichnungen, die von verschiedenen europäischen Blättern nachgedruckt wurden. Der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen warnte vor dem Diplomatischen Corps in Kopenhagen vor „unüberschaubaren Konsequenzen“ bei einer weiteren Eskalation des Streits. Der ägyptische Botschafter in Dänemark, Omar Attia, wies die Reaktion der dänischen Regierung als unzureichend zurück. UNO-Generalsekretär Kofi Annan erklärte, dass die Pressefreiheit keine Ausrede sein dürfe, Religionsgemeinschaften zu beleidigen; Missverständnisse und Abneigungen müssten in friedlichem Dialog und gegenseitigem Respekt überwunden werden.

Frankreichs Premierminister Dominique de Villepin rief dazu auf, die Erfordernisse der Freiheit und der Achtung in Einklang zu bringen und alles zu vermeiden, „was unnötig verletzt, und das vor allem in Glaubensdingen“. Freiheit und Demokratie, aber auch Respekt bildeten die Basis Frankreichs, sagte er. Das Massenblatt „France-Soir“ hatte als erste französische Zeitung die umstrittenen dänischen Karikaturen abgedruckt. Am Freitag druckte auch die linksliberale Pariser „Libération“ zwei der Karikaturen nach.

Der deutsche Regierungssprecher Thomas Steg wies auf das hohe Gut der Pressefreiheit hin, aber auch auf die Verantwortung derer, die dieses Recht in Anspruch nehmen. Jeder Träger der Pressefreiheit habe eine hohe Verantwortung, dass andere Grundrechte wie die Religions- und Glaubensfreiheit und die Menschenwürde nicht verletzt würden. Der CDU-Außenpolitik-Experte und ehemalige Geheimdienstkoordinator der Kohl-Regierung, Ex-Staatsminister Bernd Schmidbauer, forderte: „Die Presse muss sich zurückhalten und Toleranz üben allen Religionsgemeinschaften gegenüber“.

In Pakistan, Schauplatz von wütenden Demonstrationen, hat Staatschef Pervez Musharraf die Karikaturen in europäischen Medien schärfstens verurteilt. „Diese Karikaturen haben unsere Gefühle verletzt“, sagte Musharraf in Islamabad, nachdem das Oberhaus (Senat) eine entsprechende Resolution verabschiedet hatte. Der iranische Staatspräsident Mahmoud Ahmadinejad erklärte in Teheran, wenn Muslime derartige Beleidigungen ignorierten, würden die antiislamischen Bewegungen noch weiter um sich greifen. Ex-Präsident Ali Akbar Hashemi Rafsandjani bezeichnete die Karikaturen beim Freitagsgebet als „organisierte Strategie gegen die Muslime“. Er fügte hinzu, damit würden 1,6 Milliarden Muslime weltweit beleidigt.

Zehntausende Palästinenser haben im Gaza-Streifen und im Westjordanland nach dem Freitagsgebet gegen die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen in europäischen Zeitungen protestiert. Der Leiter der Jerusalemer Al-Aksa-Moschee, Mohammed Hussein, rief auf dem Tempelberg dazu auf, dass islamische Staaten ihre diplomatischen Beziehungen zu den westlichen Staaten überprüfen, in denen Zeitungen solche Karikaturen veröffentlicht haben. Er forderte eine internationale Vorschrift gegen Verhöhnung von Religionen.

Die christlichen Kirchen in der Türkei haben in einer gemeinsamen Erklärung, die das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel herausgab, ihr „Bedauern über diese Respektlosigkeit gegenüber dem Propheten des Islam“ ausgedrückt. Unterzeichnet hat das Dokument neben dem Oberhaupt der Weltorthodoxie, dem Ökumenischem Patriarchen Bartholomaios I. von Konstantinopel, unter anderen auch der armenisch-apostolische Patriarch Mesrob II. Mutafyan von Istanbul.

Von einem weiteren Abdruck der dänischen Karikaturen hat der deutsche Nahost-Experte und Leiter des Orient-Instituts in Hamburg, Udo Steinbach, dringend abgeraten. Diese Zeichnungen brächten „nichts außer Gehässigkeit und Herausforderung“, der Nachdruck in europäischen Zeitungen könne nur als „reine Provokation“ empfunden werden, warnte Steinbach am Freitag in einem im Ö1-Mittagsjournal des ORF-Radios ausgestrahlten Interview. Religiöse Verletzungen seien immer auch „Verletzungen der Psyche“ und müssten im Kontext eines gesellschaftlichen, politischen und militärischen Unterlegenheitsgefühls in der islamischen Welt gesehen werden. Extremisten würden den Streit instrumentalisieren und immer mehr Regierungen, sogar die türkische, vor sich hertreiben.

Karikaturisten mit Tod bedroht

Einige der Karikaturisten, von denen die in der dänischen Zeitung „Jyllands-Posten“ veröffentlichten Zeichnungen des Propheten Mohammed stammen, haben Morddrohungen erhalten. Die schwedische Tageszeitung „Dagens Nyheter“ enthüllte am Freitag einen Teil der Hintergründe der Entstehung der umstrittenen Karikaturen des islamischen Religionsstifters. Danach waren die Zeichner zum Teil nicht besonders glücklich, als ihnen diese Auftragsarbeit angetragen wurde. „Ich hatte den Eindruck, das sei eine Situation, in der man nur verlieren kann“, sagte einer der Cartoonisten. „Würde ich Nein sagen, wäre ich ein Feigling, wenn ich ja sagte, würde ich Hass gegen den Islam säen.“

Ein anderer Karikaturist sagte, er habe den Auftrag gleich für eine „wirklich schlechte Idee“ gehalten. Zunächst habe er gar nicht mitmachen wollen, dann habe er aber mit Freunden aus dem Nahen Osten gesprochen, die ihn umgestimmt hätten. Obwohl sich die Zeichner durch die Bank zur Pressefreiheit bekannten, kreideten sie den Herausgebern der Tageszeitung auch zweifelhafte politische Motive an. „Das ist eine Bande von reaktionären Provokateuren“, sagte einer der Cartoonisten. „Nun hängt man in der Sache mit drin und muss den Preis dafür zahlen.“ Nach den Morddrohungen werden alle zwölf Zeichner rund um die Uhr von Leibwächtern geschützt. Das Honorar für die Zeichnungen war eher bescheiden: Jeder Karikaturist erhielt 800 dänische Kronen, umgerechnet rund 107 Euro.

Analyse

Beim Streit um die dänischen Karikaturen des islamischen Religionsstifters Mohammed gibt es einige verwunderliche Elemente. Die Karikaturen wurden schon im September veröffentlicht, ohne Aufsehen zu erregen. Über deren Inhalte kann man streiten. Sie sind ungleich weniger beleidigend als antijüdische Karikaturen im „Stürmer“-Stil, wie sie täglich in der arabischen Presse erscheinen. In der arabischen Welt berufen sich diktatorische Regierungen mit straffer Pressekontrolle auf „Meinungsfreiheit“. Das hindert die muslimische Welt von Marokko bis Indonesien aber nicht daran, demokratischen Ländern Europas das gleiche Recht abzusprechen.

Die umstrittenen Karikaturen wurden aus bisher unerklärlichen Gründen „rein zufällig“ nach dem Sieg der Hamas bei den palästinensischen Wahlen und den im Westen kritisierten Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad vom TV-Sender Al-Jazeera veröffentlicht. Al-Jazeera, mit Sitz in Katar, macht seine eigene Politik, mit Videokassetten von Geiseln im Irak oder des Osama bin Laden. Auch in diesem Fall könnte der Sender von dem Hamas-Wahlsieg ablenken und Europa als den eigentlichen Hetzer darstellen.

Während sich noch kein arabischer Chefredakteur jemals für Beleidigungen von Juden oder Christen entschuldigt hat, kroch der Chefredakteur der „Jyllands-Posten“, Carsten Juste, bei Al-Jazeera zu Kreuz. Ohne die erste an ihn gerichtete Frage zu beachten, erklärte er: „Falls die Karikaturen muslimische Gefühle verletzt haben, so entschuldige ich mich dafür.“ Doch wie der Zufall so wollte, hatte ausgerechnet in dieser Sekunde der Simultanübersetzer „technische Probleme“. Die förmliche Entschuldigung wurde in der arabischen Welt nicht gehört und von Al-Jazeera auch nicht nachgereicht. Deshalb wird weiter Deutschen, Dänen, Norwegern und Franzosen mit dem Tod gedroht. In Nablus im Westjordanland wurde ein deutscher Friedensaktivist kurzzeitig entführt. Botschaften wurden gestürmt oder vorsorglich geschlossen.

Aus Katar kam der elektronische Befehl, „Hagalil“, das größte deutsche Internetportal zu Judentum, Antisemitismus, Holocaust und Nahost, zu löschen. Wenig später verschwand der Internetauftritt von France-Soir ebenso spurlos. Die Internetexperten der französischen Zeitung teilten mit, dass entweder Hacker am Werk waren, wie bei „Hagalil“, oder dass der Betreiber „finanzielle Interessen in Nahost“ habe und deshalb die Internetseiten ausgeschaltet haben könnte.

Scheinheilig wie die hier genannten Muslime sind auch die Dänen. Sie klagen darüber, „unfair“ boykottiert zu werden und in der Folge Arbeitsplätze zu verlieren. Doch ausgerechnet Dänen riefen immer wieder zum Boykott israelischer Waren auf. Sie scheinen nicht damit gerechnet zu haben, dass ihnen das widerfahren könnte, was sie selber anderen antun…

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