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Koalitions-Krach um Abschiebungen: SPÖ und Neos gegen ÖVP-Vorstoß zu Menschenrechtsgericht

SPÖ und Neos sind gegen den ÖVP-Vorstoß zum Menschenrechtsgericht.
SPÖ und Neos sind gegen den ÖVP-Vorstoß zum Menschenrechtsgericht. ©APA/AFP
Kanzler Christian Stocker (ÖVP) fordert mehr Spielraum bei Abschiebungen und will die Spruchpraxis des EGMR ändern lassen. SPÖ und Neos lehnen den Vorstoß vehement ab und warnen vor einem Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz. Auch der Europarat reagiert mit scharfer Kritik.
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Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) hat sich gemeinsam mit acht EU-Staaten für eine Änderung der Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ausgesprochen. Ziel ist es, ausländische Straftäter künftig leichter abschieben zu können. Stocker erklärte: "Wir sollten auf nationaler Ebene mehr Spielraum haben, um zu entscheiden, wann wir kriminelle Ausländer ausweisen."

SPÖ: Glaubwürdigkeit von Höchstgerichten in Gefahr

Petra Bayr (SPÖ), Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im Nationalrat, bezeichnete den Vorstoß als "sehr problematisch". Sie betonte: "Weil er in letzter Konsequenz die Glaubwürdigkeit von Höchstgerichten unterminiert." Selbstverständlich könne man mit Gerichten über deren Rechtsprechung diskutieren, "aber im besten Fall nicht öffentlich". Bayr stellte zudem klar: "An der Unabhängigkeit der Rechtsprechung ist für mich nicht zu rütteln."

Bayr erinnerte daran, dass die EMRK der "Grundbaustein der Menschenrechtsgesetzgebung" sei. Die Auslegung dieser Konvention liege "den Gerichten, speziell dem EGMR" – also dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte – "vorbehalten".

Neos: Politische Zurufe an Gerichte fehl am Platz

Auch Stephanie Krisper (Neos), stellvertretende Klubobfrau, äußerte scharfe Kritik am Vorgehen des Kanzlers. Auf BlueSky schrieb sie, beim Vorstoß handle es sich um einen "Alleingang". Krisper betonte: "Politische Zurufe an unabhängige Gerichte sind fehl am Platz." Österreich habe sich zur Wahrung der EMRK verpflichtet – gemeinsam mit den anderen 45 Mitgliedstaaten. "An völkerrechtlich eingegangenen Verpflichtungen, zu denen sehr wohl Ermessensspielraum besteht und sich wandelt, und rechtsstaatlichen Prinzipien darf nicht gerüttelt werden."

Plakolm verteidigt Vorstoß der ÖVP

Europaministerin Claudia Plakolm (ÖVP) stellte sich hinter Stocker und erklärte beim EU-Ministertreffen in Brüssel, dass die Asyl- und Migrationspolitik nur funktioniere, "wenn es die Möglichkeit gebe, straffällige Asylwerber abschieben zu können". Mit Blick auf die EMRK sagte sie: "Aufgrund der EMRK sind uns die Hände gebunden." Die Menschenrechtskonvention ist Teil der österreichischen Verfassung.

Europarat reagiert deutlich

Scharfe Kritik kam auch vom Generalsekretär des Europarats, Alain Berset. Er warnte: "Der Gerichtshof darf nicht als Waffe eingesetzt werden – weder gegen Regierungen noch von ihnen." In einer rechtsstaatlichen Gesellschaft dürfe keine Justiz unter politischen Druck geraten. "Institutionen, die die Grundrechte schützen, dürfen sich nicht den politischen Zyklen beugen", sagte Berset. Andernfalls riskiere man, "genau die Stabilität zu untergraben, die sie gewährleisten sollen".

(VOL.AT)

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