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Koalition einig über sanfte Modernisierung des Familienrechts

Die Regierung hat sich nach monatelangem Tauziehen auf eine sanfte Modernisierung des Familienrechts geeinigt: Stiefeltern sollen damit mehr Rechte und Pflichten bei der Kindererziehung erhalten, Ehepaare mehr Spielraum für Verträge zur Vermögensaufteilung im Scheidungsfall.

Nicht enthalten ist die eingetragene Partnerschaft für Homosexuelle, die Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (V) bis Jahresende auf den Weg bringen will. Sie spricht von einer “Modernisierung und Entrümpelung” des Familienrechts und will im nächsten Schritt auch über das Verschuldensprinzip bei Scheidungen nachdenken.

Wichtigste Neuerung des ab 2010 geltenden Gesetzespaketes: Wer eine Wohnung in die Ehe einbringt, kann sie mittels Notariatsakt von der Aufteilung des gemeinsamen Vermögens im Scheidungsfall ausnehmen. Damit soll verhindert werden, dass sich die Sorge um eine von der Familie ererbte oder geschenkte Eigentumswohnung “ehehindernd” auswirkt, heißt es im Justizministerium. Immerhin landet mittlerweile jede zweite Ehe vor dem Scheidungsrichter. Der kann eine derartige Vereinbarung über die Ehewohnung künftig nicht mehr aufheben, dem anderen Partner und den Kindern unter bestimmten Umständen aber ein Wohnrecht einräumen.

Für Justizministerin Claudia Bandion-Ortner ist damit sicher gestellt, dass der schwächere Partner im Scheidungsfall “nicht unter die Räder kommt”, dass aber trotzdem ausreichend Handlungsspielraum für Eheverträge besteht. “Grundsätzlich sind Vorausvereinbarungen etwas gutes. Sie beugen Rosenkriegen vor”, betonte die Ministerin gegenüber der APA. Erleichtert werden auch Vereinbarungen über die Aufteilung des sonstigen “Gebrauchsvermögens” (also etwa Auto, Motorrad oder Ferienhaus) mittels schriftlichem Vertrag.

Außerdem Teil der Novelle: Verheiratete Stiefeltern können ihre Partner künftig bei “Obsorgeangelegenheiten des täglichen Lebens” unterstützen und damit etwa Entschuldigungen für die Schule unterschreiben. Dies gilt allerdings explizit nicht für unverheiratete Stiefeltern (wie dies etwa in der Schweiz schon seit 1976 der Fall ist). Auch sie sind künftig allerdings verpflichtet, alles “den Umständen nach Zumutbare” zu unternehmen, um das Wohl der Kinder ihres Partners bzw. ihrer Partnerin zu schützen.

Die staatlichen Unterhaltsvorschuss-Zahlungen werden im neuen Familienrecht beschleunigt, antiquierte Begriffe wie die “Morgengabe” oder das “Heirathsgut” (eine Art Entschädigung des Bräutigams für die finanzielle Belastung durch die Ehe) aus dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) gestrichen. Die von der ÖVP bekämpfte “Beratungspflicht” vor Scheidungen kommt zwar nicht. Dafür müssen Richter scheidungswillige Paare künftig vor den Risiken mangelnder Beratung warnen und das Verfahren vertagen, wenn ein Partner ohne vorherige Rechtsberatung ins Gericht kommt.

Diskutiert wurde das neue Familienrecht bereits seit über einem Jahr: Einen ersten Entwurf hatte Ex-Justizministerin Maria Berger (S) schon im Mai 2008 präsentiert. Die rot-schwarze Einigung am Dienstagabend erfolgte buchstäblich in letzter Minute, um noch einen Beschluss vor der Sommerpause des Nationalrats zu ermöglichen. Dementsprechend erfreut zeigte sich am Mittwoch auch SP-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek, die mit der Novelle insbesondere “den neuen Lebensverhältnissen” insbesondere von Patchwork-Familien Rechnung getragen sieht.

Die Grünen begrüßten in einer ersten Reaktion insbesondere die Beschleunigung des Unterhaltsvorschusses. Justizsprecher Albert Steinhauser forderte aber dringend auch eine Reform des Scheidungsrechtes sowie “sinnvolle Lösungsansätze” bei Obsorge- und Besuchsrechtsstreitigkeiten.

Für derartige Verfahren kündigte Bandion-Ortner am Mittwoch die Einrichtung eines Kinderbeistands bei Gericht bis Jahresende an. Außerdem will die Justizministerin in einem nächsten Schritt auch über eine Abkehr vom in Österreich immer noch geltenden Verschuldensprinzip bei Scheidungen nachdenken. Nicht im Familienrechtspaket enthalten ist der Dauerbrenner “Homo-Ehe”: Einen Entwurf für die eingetragene Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare soll es bis Jahresende geben.

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