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Von Konflikten überschatteter NATO-Gipfel in London begonnen

Trump findet Macrons Äußerungen über NATO "beleidigend"
Trump findet Macrons Äußerungen über NATO "beleidigend" ©APA (AFP)
Zum Beginn des NATO-Gipfels haben sich tiefe Risse im Bündnis gezeigt. US-Präsident Donald Trump nannte es am Dienstag in London "sehr beleidigend", dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron der Militärallianz den "Hirntod" bescheinigt hat. In der Abschlusserklärung nennt das Verteidigungsbündnis dagegen erstmals explizit die aufstrebende Militärmacht China als mögliche neue Bedrohung.

Die NATO diene "einem großen Zweck", sagte Trump. Macrons Aussage sei "sehr respektlos" und "sehr, sehr bösartig" gegenüber den anderen 28 Mitgliedstaaten der NATO. Trump warnte, dass Paris sich vom Bündnis lösen könnte. "Niemand braucht die NATO mehr als Frankreich", sagte er. Solche Äußerungen seien deshalb "sehr gefährlich" für Frankreich.

Macron hatte der NATO Anfang November den "Hirntod" bescheinigt. Er begründete dies mit dem Einmarsch des NATO-Mitglieds Türkei in Nordsyrien und dem nicht abgestimmten Abzug der US-Truppen aus der Region. Der französische Präsident fragte sich gleichzeitig, welche Bedeutung die Beistandsklausel des NATO-Vertrags noch habe, und fand, dass Europa sich auch selbst verteidigen könne.

Maas ruft zur Einheit auf

Der deutsche Außenminister Heiko Maas rief zur Stärkung des Bündnisses auf. Dieses sei "sicherheitspolitisch ein Fels in der Brandung", erklärte er auf Twitter. Maas hat als Reaktion auf Macron ein Expertengremium vorgeschlagen, um die politische und strategische Koordinierung zwischen den Bündnismitgliedern zu verbessern. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg erwartete, dass der Gipfel einen Reflexionsprozess einleitet, "um die politische Dimension der NATO auszuweiten".

Der türkische Präsident Erdogan forderte die Bündnismitglieder auf, die in Nordsyrien tätige Kurdenmiliz YPG als "Terrororganisation" einzustufen. Passiere dies nicht, "dann werden wir gegen alle hier anstehenden Schritte sein", sagte Erdogan vor seinem Abflug zum NATO-Gipfel. Nach türkischen Medienberichten hat die Türkei bereits ein Veto gegen die weitere Verstärkung der NATO-Verteidigung in den baltischen Staaten und Polen gegenüber Russland eingelegt.

Gipfel um Erdogan und Merkel

Der zweitägige NATO-Gipfel beginnt am Abend offiziell mit einem Empfang bei der britischen Königin Elizabeth II. im Buckingham Palace. Zu Syrien gibt es am Dienstagnachmittag ein Vierer-Treffen mit Erdogan, Macron, der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem britischen Premierminister Boris Johnson.

Putin sieht "Bedrohung"

Der russische Präsident Wladimir Putin betonte unterdessen, dass er in der erfolgten Expansion der NATO nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion eine Bedrohung für sein Land sieht. Für die Erweiterung des transatlantischen Militärbündnisses um osteuropäische Staaten habe es keine Gründe gegeben, sagte er bei einem Treffen mit russischen Militärs am Dienstag in Sotschi. Russland sei aber offen für eine Zusammenarbeit mit der NATO.

NATO blickt nervös auf China

In der Gipfelerklärung gehen die Bündnisstaaten erstmals auf China als Bedrohung ein. "Wir erkennen, dass der wachsende Einfluss und die internationale Politik Chinas sowohl Chancen als auch Herausforderungen darstellen, die wir als Allianz zusammen angehen müssen", heißt es in dem Text, der der dpa vorliegt und am Mittwoch veröffentlicht werden soll. Als ein möglicher Problembereich wird der Mobilfunkstandard 5G genannt, bei dem das chinesische Unternehmen Huawei als Technologieführer gilt. "Wir erkennen die Notwendigkeit an, auf sichere und widerstandsfähige Systeme zu setzen", heißt es zu dem Thema in der Erklärung.

Weiteres Thema ist der Stand bei der Steigerung der Verteidigungsausgaben. Trump wirft den europäischen Partnern und insbesondere Deutschland vor, sich auf Kosten der USA beschützen zu lassen. Nun begrüßte er, dass Europa und Kanada im Zeitraum 2016 bis 2020 rund 130 Milliarden Dollar zusätzlich für Verteidigung ausgeben - und stellte dies als Erfolg seiner Politik dar. Seine Kritik fiel diesmal aber moderater aus als bei früheren Auftritten.

Stoltenberg mit "fantastischem Job"

Trump lobte dabei aber auch ausdrücklich NATO-Generalsekretär Stoltenberg. Dieser mache "einen fantastischen Job". Stoltenberg zeigte sich zuversichtlich, dass bis 2024 die meisten NATO-Länder das Bündnisziel von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung bei den Verteidigungsausgaben erreichen würden. Deutschland will bis dahin allerdings erst auf 1,5 Prozent kommen. Trump betonte jedoch, dass selbst die zwei Prozent aus seiner Sicht zu wenig seien. "Die Zwei ist eine sehr niedrige Zahl, es sollten eigentlich vier (Prozent) sein", sagte er.

Weltraum als militärisches Gebiet

Bei dem Gipfel will die NATO auch den Weltraum zum militärischen Einsatzgebiet erklären. 2016 hatte die Organisation bereits den Cyberspace neben den drei traditionellen Einsatzbereichen Luft, Boden und See zum eigenständigen Operationsgebiet gemacht. Hacker-Angriffe können seitdem den Bündnisfall auslösen.

Anlässlich des NATO-Gipfels in London wollen zahlreiche Menschen am Dienstag nahe dem Buckingham-Palast protestieren - vor allem gegen US-Präsident Donald Trump. An der Demonstration nehmen nach Veranstalterangaben diverse Gruppen teil, die sich etwa für nukleare Abrüstung einsetzen.

(APA/dpa)

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