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Klimagipfel - Umweltökonom: "Auch Cancun wird scheitern"

Nachdem der Klimagipfel voriges Jahr in Kopenhagen ziemlich enttäuschend zu Ende gegangen ist, sind die Erwartungen an die derzeit laufende Konferenz in Mexiko Cancun nicht mehr allzu hoch.
Man werde wohl kein verbindliches Klimaschutzabkommen für Schwellen- und Entwicklungsländer zusammenbringen, sagte der Umweltökonom Erwin Mayer vom Consulter denkstatt. Der Streitpunkt, ob mehr Klimaschutz zum Abwandern der Industriebetriebe Amerikas und Europas in den globalen Süden führt (wo dann mehr CO2 ausgestoßen würde), oder ob man vom Umweltschutz auch profitieren kann (Stichwort “grüne Technologien”), sei “fast unüberwindbar”, konstatierte Mayer. Dabei wären verbindliche Vorgaben bitternötig – schon das berühmte Zwei-Grad-Ziel reiche nicht aus, um die verheerenden Folgen des Klimawandels hintanzuhalten.

In Kopenhagen hat man sich darauf verständigt, dass sich die Erde bis zum Jahr 2100 um nicht mehr als zwei Grad erwärmen darf. “Zwei Grad sind eigentlich schon ein Kompromiss”, meinte Mayer. Auch, wenn sich die Temperatur weniger als zwei Grad ansteigen würde, würden etwa in Grönland die Gletscher schmelzen. Viele Wissenschafter plädierten daher für maximal 1,5 Grad Erwärmung.

Aber selbst die Wahrscheinlichkeit, das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, sei denkbar gering. “Um unter zwei Grad zu bleiben, können wir bis 2050 noch rund 700 Gigatonnen CO2 ausstoßen”, rechnete Mayer vor. Beim derzeitigen Ausstoß wäre dieses Kontingent in weniger als 20 Jahren ausgeschöpft.

Das, was jetzt in Cancun verhandelt wird, habe aber ohnehin “nichts mit dem Zwei-Grad-Ziel zu tun.” Gestritten wird etwa darüber, welchen Beitrag zur Treibhausgasreduktion Industriestaaten auf der einen und Schwellen- und Entwicklungsländer auf der anderen Seite leisten müssen. Letztere pochen darauf, dass der Westen aufgrund seines hohen Ausstoßes in der Vergangenheit eine gewisse “Klimaschuld” zu begleichen habe.

Um dem Prinzip der “gleichen, aber unterschiedlichen Verantwortung” (CBDR, common but differentiated responsibilities) gerecht zu werden, gebe es im Grunde zwei Möglichkeiten, nämlich “Klimaschutz zu Hause” oder “Ankauf von Verschmutzungsrechten”.

Derzeit gehe es in Cancun in Richtung eines globalen CO2-Preises und Ankauf von CO-Zertifikaten. Ein globaler CO2-Preis könnte entweder durch die Besteuerung von Kohlendioxid oder durch einen weltweiten Handel CO2-Handel entstehen. Wenn dann Industriestaaten strengere Klimaschutzziele haben, fließe viel Geld in Entwicklungs- und Schwellenländer, da diese ihre übriggebliebenen Verschmutzungsrechte wieder an den Westen verkaufen. Selbiges spielt sich auch auf EU-Ebene ab, so kauft Österreich in großem Stil Verschmutzungsrechte aus Osteuropa zu. Dort sind nämlich durch den Zusammenbruch der Schwerindustrie massenhaft Emissionsberechtigungen im Umlauf, hinter denen kein tatsächlicher CO2-Ausstoß steht (“heiße Luft”). Der Nachteil laut Mayer für die EU: “Wir finanzieren den Klimaschutz im Ausland, aber bei uns passiert nichts.”

Die Alternative zum globalen CO2-Preis wären höhere CO2-Preise für die EU, für die Mayer plädiert. Dann würde sich nämlich die Vermeidung von Treibhausgasen verteuern und der Ausstieg aus fossilen Energien beschleunigen, da sich Ökoenergien und Co. stärker rechnen würden. Es entstünde in der Folge ein “grüner Heimmarkt”. Außerdem könnte dies einen Nachahmungseffekt haben: Die EU könnte den Schwellen- und Entwicklungsländern vorleben, dass sich Klimaschutz auch wirtschaftlich auszahlt. Dies ist aber politisch wohl schwer durchzusetzen, befürchtet doch die (energieintensive) Industrie Standortnachteile und droht mit Abwanderung, sollte sie noch mehr Geld für Klimaschutz ausgeben müssen.

Aus der Sicht von Mayer führt aber nichts um die massive Verteuerung von CO2 herum. Derzeit kostet eine Tonne CO2 im europäischen Emissionshandelsregime (ETS) rund 15 Euro, global knapp unter 10 Euro. Um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, müsste der Preis bis 2050 aber auf 180 Dollar (137 Euro) ansteigen, hat die Internationale Energieagentur (IEA) bereits vor zwei Jahren ausgerechnet. Im bekannten “Stern-Report” des früheren Weltbank-Ökonomen Nicholas Stern aus 2006 war sogar von 300 Dollar pro Tonne die Rede.

Subventionen und Anreize für umweltfreundliche Technologien hingegen machten Klimaschutz teurer, ist Mayer überzeugt. Schuld sei der sogenannte Rebound-Effekt, wonach Energieeffizienz zu Mehrkonsum führt. “Sparsame Autos sind völlig sinnlos, wenn der Preis gleichbleibt. Dann wird eben mehr gefahren.”

Dabei wären strengere Umweltschutzziele auch volkswirtschaftlich sinnvoll, eben dann, wenn sich Staaten mit ambitionierten Vorgaben eine Vorreiterrolle bei grünen Technologien sichern, so Mayer. Firmen seien dem nicht unbedingt abgeneigt, so hätten sich 26 große Konzerne, darunter die Deutsche Telekom, Allianz oder Nestle, für die derzeit diskutierte Ausweitung des EU-Reduktionsziels von 20 Prozent CO2-Einsparung bis 2020 auf minus 30 Prozent ausgesprochen. Auch österreichische Unternehmen wären dem nicht abgeneigt, legt zumindest eine denkstatt-Umfrage nahe: 59 Prozent von 151 befragten Firmen sind der Meinung, dass die Erhöhung der Reduktionsvorgaben für die EU neue Wachstumspotenziale eröffnet.

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