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Kinderschutz leidet unter Kompetenzdschungel und Geldmangel

Beim Kinder- und Opferschutz gibt es noch viel zu tun.
Beim Kinder- und Opferschutz gibt es noch viel zu tun. ©APA / Symbolbild
Es gibt Initiativen, es gibt Fachleute und Know-how. Aber: Der Kinderschutz in Österreich leidet unter einem Kompetenzdschungel und einem Mangel an finanziellen Ressourcen. Das beklagten Fachleute am Freitag bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Generalversammlung des Bundesverbands österreichischer Kinderschutzzentren in Wien.

“Wir können uns nur um die schwersten Fälle sexueller Gewalt kümmern”, schlug Kinderschutz-Tirol-Geschäftsführerin Karin Hüttemann Alarm. “Was wir brauchen, ist Geld.” Dabei gebe es für die Fachleute weit mehr zu tun als sie derzeit imstande sind zu leisten – 2011 waren das mehr als 50.000 Klientenkontakte österreichweit. Denn laut dem Bundesverband ist jedes vierte Mädchen und jeder siebente Bub von sexuellem Missbrauch betroffen, jedes vierte Kind von Gewalt in unterschiedlicher Ausprägung. 85 Prozent der Missbrauchsfälle geschehen in der eigenen Familie. Die Mittel fehlen mitunter für das Nötigste: Denn die Krankenkasse, so Hüttemann, übernimmt in Tirol nicht einmal in Fällen von sexuellem Missbrauch die Kosten für psychotherapeutische Betreuung der Opfern.

Gesetze aus dem Jahr 1989

Das Jugendwohlfahrtsgesetz, das Österreich einst den Ruf eines fortschrittlichen Landes auf diesem Gebiet einbrachte, datiert aus dem Jahr 1989. “Aber es trägt das Gedankengut der späten 70er Jahre in sich”, stellte Martina Staffe vom Wirtschafts-, Familien- und Jugendministerium fest. Für ein neues Kinder- und Jugendhilfegesetz liegt mittlerweile der vierte Entwurf vor, drei Bundesländer sind aber nicht mit der Finanzierung einverstanden, obwohl das Ministerium das Geld bis zum Ende des geltenden Finanzrahmens zugesagt habe.

Mit den Vorschlägen zum Kinderschutz sind nicht alle einverstanden

Der jüngste Entwurf stellt nach Ansicht von Adele Lassenberger, Vorsitzendes des Verbands der Kinderschutzzentren, ohnehin nur noch eine “Light Version” dar, und enthält “herzlich wenig von dem, was Kinder und Jugendliche zu ihrem Schutz brauchen”, wie Gerhard Herowitsch-Trinkl vom Dachverband der Jugendwohlfahrtsträger kritisierte: “Von einem modernen Gesetz ist nix mehr übrig.”

Auf Bundesebene ist neben dem Familien- und dem Justizministerium auch das Sozialressort für Kinderschutz zuständig – dieses allerdings recht marginal. Minister Rudolf Hundstorfer (S): “Ich bin sozusagen das Reparatur-Instrumentarium.” In seine Kompetenz fallen das Verbrechensopfer- und das Besuchsbegleitgesetz. Ersteres soll durch eine Novellierung unbürokratischer werden. Für das Besuchsbegleitgesetz hätte Hundstorfer gern eine Ausdehnung – bloß fehlt es am Geld.

“Ich erlebe Kinderschutz als private Initiative”, meinte Martina Fasslabend, Geschäftsführerin der Organisation “Die Möwe” und wies auf den Föderalismus als einen der Gründe für die Vielfalt an Zuständigkeiten hin. Unbefriedigend sei, dass der Kinderschutz an Kompetenzstreitigkeiten leidet, meinte F-Familiensprecherin Anneliese Kitzmüller. Tanja Windbüchler-Souschill, Kinder- und Jugendsprecherin der Grünen: “Kinderschutz ist eine Querschnittsmaterie. Der Fokus fehlt, es gibt keine Ansprechpersonen.” Gabriele Bichler-Maier, Familiensprecherin der SPÖ: “Es gibt Maßnahmen, um Gewalt unter Kindern und unter Jugendlichen zu verhindern. Vorwiegend müssen wir aber Kinder vor Erwachsenen schützen.”

Der Bundesverband der österreichischen Kinderschutzzentren mit Sitz in Wien wurde vor einem Jahr gegründet. Er vertritt 28 Zentren in Österreich und hat 17 Trägerorganisationen als Mitgliedsvereine. Mehr als 200 Mitarbeiter sind im direkten Kinderschutz tätig. (APA)

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